Grüße aus dem Stachelhaus


Villa Grisebach: Kommando Farbe


„Schatzi“ heißt Norbert Biskys Gemälde aus dem Jahr 2006. Dass die blonde Schönheit einen blutenden Penis in der Hand hält, sieht der Betrachter erst auf den zweiten Blick, so hypnotisch wirken ihre grün, gelb, türkis und rot schillernden Augen. Zu den anderen Schätzen auf den Auktionen für zeitgenössische Kunst am 4. und 5. Juni in der Villa Grisebach zählen Konrad Klaphecks Schellenbild „Vier Lebensstile“ von 1962 (Schätzpreis 100 000 bis 150 000 Euro), das menschenleere Gemälde „Hauptgebäude“ von Neo Rauch aus dem Jahr 1997, für das 200 000 bis 300 000 Euro erwartet werden, und eine furiose Leinwand von Albert Oehlen von 1988. Ende der 80er begann Oehlen, abstrakt zu arbeiten. Der Schätzpreis für das kraftvolle Bild, bei dem die Farben offensichtlich das Kommando übernommen haben, erscheint mit 150 000 bis 200 000 Euro keineswegs übertrieben zu sein. Zum Gipfeltreffen der Abstraktion finden sich auch zwei ungegenständliche Werke von Gerhard Richter ein, das häufig ausgestellte „Hest“ von Per Kirkeby und eine psychedelische Fotoarbeit von Thomas Ruff. Spannung verspricht der Aufruf einer Fotomontage von Peter Roehr: Gerade wurde der früh verstorbene Künstler wiederentdeckt, und das angebotene Werk „Ohne Titel“ (155-2- 65) von 1965, auf 4000 bis 6000 Euro geschätzt, ist in einem sehr guten Zustand.

Villa Grisebach, Berlin, „Contemporary Art“, „Ausgewählte Werke“, 4. Juni; „Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts“, „Third Floor — Schätzwerte bis 3000 Euro“, 5. Juni


Auf Empfang bei Van Ham

Günther Ueckers Nagelfeld „Wind“ erzielte Ende letzten Jahres im Kölner Auktionshaus Van Ham stolze 239 400 Euro – knapp doppelt so viel wie erwartet und ein Rekord für seine nach 1990 entstandenen Arbeiten. Die Sotheby’s-Auktion mit Werken aus der Sammlung Lenz setzte im Februar für Zero- Kunst noch einmal neue Maßstäbe. Diesmal ist bei Van Ham ein ganz besonderes Objekt von Uecker dabei, das „Stachelhaus für Stachelhaus“ von 1967, das dieser für den Kunstkritiker und Zero-Vertrauten Heiner Stachelhaus anfertigte (Schätzpreis 90 000–120 000 Euro). Insgesamt werden am 4. Juni rund 550 Werke der modernen und zeitgenössischen Kunst versteigert, darunter ein 1993 entstandener „Weltempfänger“ von Isa Genzken (6000–8000 Euro) und das visionäre Gemälde „Sturz“ von Neo Rauch aus dem Jahr 1989, das damals im Frühjahr, also noch vor der Wende, entstanden ist. Die Schätzung für das weitgehend ungegenständliche Frühwerk fällt mit 50 000–60 000 Euro moderat aus. Hinter dem Titel „A Very Personal Collection“ verbirgt sich eine Unternehmenssammlung, die wegen Insolvenz aufgelöst wird. Insgesamt sind es 150 Objekte, darunter eine Lithografie von Francis Bacon aus dem Jahr 1984 (8000–10 000 Euro) oder die große Viererserie „Four Aquatints“ von Eric Fischl (10 000– 12 000 Euro), die mit sehr günstigen Schätzpreisen ins Rennen geschickt werden. Hier schließt sich eine Tür, und viele andere werden sich öffnen.

Van Ham Kunstauktionen, Köln, „Moderne und Zeitgenössische Kunst“, 4. Juni


Lempertz: Von Liebe und Ameisen

Der wunderbaren Grafiksammlung des Kunstenthusiasten Carl Vogel wünschte man von Herzen ein eigenes Haus. Nun wird mit mehr als 700 Papierarbeiten des 2006 verstorbenen, langjährigen Präsidenten der Hamburger Hochschule der Künste ein Teil in alle Winde verstreut: Unter anderem kommen bei Lempertz Bernd und Hilla Bechers Tableaus mit Fördertürmen aus den 60er- und 70er-Jahren (Schätzpreis je 15 000 Euro) und mehr als 40 Zeichnungen von Sigmar Polke unter den Hammer, darunter überarbeitete Fotografien aus seiner Schlüsselserie „Paris“ von 1971. In seiner Auktion für zeitgenössische Kunst am Tag darauf kann Lempertz gleich mit zwei Arbeiten von Günther Uecker aufwarten, der im Zuge der allgemeinen Zero-Begeisterung stark nachgefragt wird. Zu den Höhepunkten gehören eine sehr schöne Winterlandschaft von Peter Doig (100 000–150 000 Euro), eine bunte „Ganesha“ von Niki de Saint Phalle (200 000 Euro) und ein reduzierter, feiner „Smoker“ in Ölkreide auf Papier des Pop-Art-Künstlers Tom Wesselmann aus dem Jahr 1975 (28 000–38 000 Euro). Einen Liebhaber findet sicherlich auch die vierteilige Papierarbeit „Le infinite possibilità di esistere“ von Alighiero Boetti aus dem Jahr 1981. Was für ihn die unbegrenzten Möglichkeiten des Seins ausmachte, formulierte Carl Vogel übrigens so: „Und mit der Liebe hat das Sammeln ganz besonders viel gemein.“

Kunsthaus Lempertz, Köln „Sammlung Vogel“, 1. Juni; „Zeitgenössische Kunst“, 2. Juni