Von Beuys bis Warhol

Gabriele Henkel plaudert über ihre Freunde

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Die Kunstmäzenin und Autorin Gabriele Henkel 2002 in Berlin bei einem Empfang des Nachrichtenmagazins "Focus"

Die "Grande Dame" der Düsseldorfer Kunstszene Gabriele Henkel hat ihre Memoiren geschrieben. Die lesen sich wie eine Illustrierte des Kultur-Establishments der letzten 50 Jahre

Gunter Sachs, Joseph Beuys, Robert Wilson, Andy Warhol, Frank Stella - wer in den letzten 50 Jahren zur Kunst- und Gesellschaftsprominenz gehörte, der war und ist bis heute ein Freund von Gabriele Henkel. Die 85 Jahre alte "Grande Dame" der Düsseldorfer Kunstszene hat ihre Memoiren "Die Zeit ist ein Augenblick" vorgelegt. Henkel baute seit 1970 auch die schillernde Kunstsammlung des Henkel-Konzerns auf.

Die Witwe des 1999 gestorbenen Firmenpatriarchen Konrad Henkel ("Persil", "Pril") schreibt über eine vergangene Welt des Wirtschaftswunder-Jetsets. Wer wichtig war, der wurde zu Henkels legendären Abendgesellschaften eingeladen. Berühmt sind ihre kunstvollen Tischdekorationen - Beuys empfahl ihr, die Motto-Tische zu signieren. Bei einem Abend für den US-Künstler und Ferrari-Fan Frank Stella ließ sie eine Carrera-Bahn über den Esstisch rasen.

Bankiers wie Jürgen Ponto und Alfred Herrhausen gehörten ebenso zu den Gästen wie Hans-Dietrich Genscher und Theodor Adorno. Sogar Hitlers ehemaliger Rüstungsminister Albert Speer durfte nach 20 Jahren Haft Platz an Henkels Tisch nehmen. Ihr Haus in Düsseldorf wurde, so schreibt Henkel, "der Salon der Republik". Fritz Raddatz schrieb in der "Zeit", Henkels Gesellschaften seien "der einzige Salon internationalen Formats, durchaus vergleichbar den großen Diners in New York oder Paris" gewesen.

Die Männer lagen Gabriele Henkel zu Füßen, mit ihren Verehrern reiste sie nach Venedig, Rom oder auf die Bahamas. In ihrer stolzen Schönheit wurde sie verglichen mit der kürzlich gestorbenen französischen Schauspielerin Jeanne Moreau. Doch Henkel, geborene Hünermann, Tochter eines angesehenen Düsseldorfer Medizinprofessors, bleibt in ihrer Autobiografie  immer im Ungefähren. Über allen Flirts stand für Henkel die Liebe zu ihrem Mann.

"Ein interessanter Freund führt zum nächsten", schreibt Henkel. So lesen sich ihre Memoiren streckenweise wie ein Klatschblatt der 60er- und 70er-Jahre. Irgendwann fragt man sich, wie viele Freunde der Mensch im Leben denn haben kann. "Wenn es hoch kommt: drei", sagte kürzlich der Buchautor und Freundschafts-Forscher Wolfgang Krüger. Darüber hinaus pflege man etwa zwölf "Durchschnittsfreundschaften". Nicht so bei Gabriele Henkel. Jede Person belegt sie mit dem Attribut "mein Freund" oder "meine Freundin", was bisweilen eitel wirkt.

Aus ihrem Alter macht Henkel immer ein Geheimnis. Im Munzinger Archiv ist der 9. Dezember 1931 als Geburtsdatum angegeben. Nach einer auch für sie entbehrungsvollen Kriegskindheit ohne Schulbildung wird sie als 16-Jährige von den Eltern als Au-pair nach London geschickt. Doch sie will Journalistin werden, schafft es zum Londoner "Observer". In der Adenauerrepublik wird sie als Frau und "Newsweek"-Korrespondentin das jüngste Mitglied der Bundespressekonferenz in Bonn.

Mit dem Aufbau der Henkel-Kunstsammlung taucht sie in die amerikanische Kunstszene ein, während ihr Mann das Unternehmen zum Weltkonzern aufbaut. Gabriele Henkel wird in den Internationalen Beirat des New Yorker Museums of Modern Art (MoMA) berufen. Als sie mit schweren Verbrennungen 1981 in einer Klinik in Manhattan liegt, kommen die Künstler Andy Warhol, Jasper Johns und Frank Stella zu Besuch.

Anstatt zu berichten, warum sie verletzt ist, zählt sie die Namen ihrer prominenten Besucher an ihrem Krankenbett auf - auch das ist typisch für das Buch. Zur Trauerfeier für Warhol 1987 wird Gabriele Henkel übrigens in einer silbergrauen Stretch-Limousine abgeholt.

Erst am Ende gestattet sich die einstige Gesellschaftslöwin einige offene Worte über die Einsamkeit im Alter und den Tod. "Die meisten Menschen, die mir nahe standen, sind inzwischen verstorben. Sie fehlen mir", schreibt sie. "Ich bin oft einsam."