Vor den Ruinen ihres Hauses in der Ukraine sitzt ein älteres Ehepaar, ihrem Schicksal ergeben, so scheint es. Er hält sie fest im Arm, schaut direkt in die Kamera, gestochen scharf - ein Blick, der Betrachterinnen und Betrachter gar nicht mehr loslässt. Für Schwarz-Weiß-Aufnahmen wie diese ist der Fotograf Edward Kaprov 2022 mit historischer Technik im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterwegs gewesen. Einige seiner Bilder aus dem Donbass sind jetzt im Kameramuseum in Vevey in der Schweiz zu sehen.
Die Intensität des Fotos hat mit der ungewöhnlichen Machart zu tun: Kaprov hat das Nasskollodium-Verfahren angewendet. Dafür werden die Motive wie in ganz alten Zeiten mit einer Kollodium-Plattenkamera auf vorher präparierte Glasplatten gebannt. Jedes Bild bedeutet viel Arbeit und ist teuer. Der Fotograf brauchte einen ganzen Lieferwagen voll mit Ausrüstung. Er muss die Komposition vorher sorgfältig überlegen, weil die Fotografierten längere Zeit unbewegt innehalten müssen.
"Die Langsamkeit, die das Gegenteil der klassischen Kriegsfotografie ist, bedeutet, dem anderen zu begegnen, sich Zeit und Abstand zu nehmen, für einige Minuten ruhig und unbeweglich zu bleiben - trotz der Bombardierungen - und in die Realität eines vom Krieg geschundenen Landes einzutreten, das dennoch lebendig und reich an alltäglichen Szenen ist", fasst das Museum zusammen.
Historisches Vorbild
Auf anderen Fotos von Kaprov sind eine Sanitäterin mit Kollegen oder ein Soldat in voller Montur mit Waffe zu sehen. Die Machart erweckt den Eindruck, sie stammen aus einer anderen Zeit. Das hat Kaprov bewusst gemacht: Mit dieser damals innovativen Technik hat 1855 der Engländer Roger Fenton im Krieg um die Halbinsel Krim südlich der Ukraine fotografiert. "Ich habe versucht, die Vergangenheit und die Gegenwart nebeneinanderzustellen", zitiert das Museum ihn. "Ich versuche bewusst, den Betrachter zu verwirren, damit er genauer hinschaut."