Wirbel um Kunstmäzen Berggruen

Ein Schelmenstück?

Die Sammlung Berggruen in Berlin gilt als eine der weltweit wertvollsten Sammlungen von Picasso, Klee und Matisse. Eine neue Biografie über den einstigen Besitzer und Mäzen Heinz Berggruen hat jetzt erheblichen Wirbel ausgelöst. Hochkarätige Kulturvertreter springen für den 2007 gestorbenen jüdischen Kunstsammler, den Vater von Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen, in die Bresche.

Ein «perfides Machwerk», so nennt etwa der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, die Biografie der in Frankreich lebenden Autorin Vivien Stein. Seine Stiftung hatte die Berggruen-Sammlung im Jahr 2000 für einen - wie es damals hieß - eher «symbolischen» Preis von 253 Millionen Mark gekauft.

«Der tatsächliche Wert der Sammlung betrug schon nach damaligen Schätzungen mindestens das Dreifache, von heutigen Wertbemessungen ganz zu schweigen», betonte Parzinger am Mittwoch in einem Autorenbeitrag für den Berliner «Tagesspiegel».

"Am Ende steht ein Zerrbild"
In ihrem Buch «Heinz Berggruen. Leben und Legende» wirft Autorin Vivien Stein dem jüdischen Kunstsammler dagegen vor, er habe es vor allem aufs Geld abgesehen gehabt, ständig Steuern hinterzogen und in Berlin bewusst die «Judenkarte» gespielt. «Der Stoff eignet sich bestens zum Schelmenroman», schreibt die Autorin zusammenfassend.

Parzinger nennt das Buch den Versuch einer Demontage. «Dabei wird konstruiert, was das Zeug hält, diffamierende Mutmaßungen werden schnell zu Tatsachen erhoben, und am Ende steht ein Zerrbild, das ganz gezielt zerstörerische Macht entfalten soll.»

Stein, selbst Jüdin, weist die Kritik zurück. «Ich verstehe nicht, warum man partout will, dass das Buch nicht gelesen wird», sagte sie der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage. Sie habe im Anhang zu der Biografie auf mehr als hundert Seiten Belege für ihre Thesen angeführt. Allerdings könne sie verstehen, dass viele Anhänger Berggruens jetzt enttäuscht seien. «Wenn ein Fußballspieler, den man vergöttert hat, plötzlich in einen Skandal verwickelt ist, ist man auch enttäuscht.»

"Ein Glücksfall für Berlin"
Auch den Vorwurf, Bernd Schultz, der Chef des Auktionshauses Villa Grisebach, könne ein Motor für das Buch gewesen sein, kontert Stein. «Ich kann beweisen, dass er auf keinen Fall als Auftraggeber hinter dem Buch stand», sagte sie. Sie sei zwar tatsächlich von 1986 bis 1994 als freie Mitarbeiterin für das Kunsthaus tätig gewesen. Damals sei von einem Zerwürfnis zwischen Schultz und Berggruen aber noch keine Rede gewesen.

Der 1914 in Berlin geborene Berggruen war 1936 vor den Nazis in die USA geflohen. Nach Jahrzehnten in Paris kehrte er in seine Heimatstadt zurück und überließ Berlin seine Sammlung 1996 zunächst als Leihgabe, ehe der Verkauf eingefädelt wurde. «Ein Glücksfall für Berlin», jubelte der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Berggruen starb 2007 im Alter von 93 Jahren in Paris. (Nadja Weigelt, dpa)