Ein Londoner Symposium will wegweisende Erkenntnisse für Landkarten des 21. Jahrhunderts liefern

Ehrgeizige Pläne

Wenn die Welt beschrieben werden soll, dann sind Landkarten wahrscheinlich der kleinste gemeinsame Nenner. Zwar kann es kaum einer wirklich nachprüfen, aber so muss sie dann ja wohl aussehen, die Welt. Für Künstler stellen Karten schon immer ein dankbares Terrain dar, nicht erst, seit sich das Wort mapping im Kuratorensprachschatz eingenistet hat. Schließlich handelt es sich zunächst einmal um ein verbindliches Bild von Begriffen wie Nation, Standort, Identität – Themen, die in der Kunst höchst subjektiv behandelt werden.

Louise Bourgeois etwa hat in den Umrissen von Frankreich ein Gesicht entdeckt und stellt dem lachenden Profil ein spiegelverkehrtes Pendant zur Seite, eine inverse Grande Nation, die dem Ganzen erst einen Sinn zu verleihen scheint. Maurizio Cattelan zeichnete die Form seines Heimatlands Italien nach, als eine wie Froschlaich wuchernde Ansammlung von fröhlichen Gesichtern: eine debile Armee, ein harmlos-penetrantes Völkchen von Grinsern. Hans-Peter Feldmanns oft beschriebenes Interesse an weiblichen Knien bringt fast zwangsläufig mit sich, dass in irgendeinem Archivbild auch ein Autoatlas auf ihnen ruht – zwei unverwüstliche Vorurteile, das Paradox und Dilemma der ewigen Beifahrerin: Einerseits soll die Frau dem Mann ja lieber das Steuer überlassen, andererseits wiederum das Kartenlesen nicht beherrschen.
Ortspläne helfen bei der Orientierung, auch wenn wir uns überhaupt nicht bewegen. Und so sitzen am 16. und 17. Oktober wieder zahllose Kulturprominente auf den berüchtigten Stühlen von Hans-Ulrich Obrist in der Londoner Serpentine Gallery fest. Zwei volle Tage lang diskutieren der Reihe nach Größen wie Marina Abramovic´, Gilbert & George, Michael Craig- Martin und der Architekt David Adjaye in der neuesten Ausgabe des Marathons über „Maps for the 21st Century“. Am Wochenende der Frieze Art Fair sollte man sich also per Smartphone oder vom guten alten „London Street Atlas“ den Weg zum berühmtesten Pavillon der Kunstwelt zeigen lassen.