Kunstsoziologin

"Documenta ist wie eine Mekka-Fahrt"

Museen zeigen, "was wir als Gesellschaft bewahren wollen", sagt eine Kunstsoziologin. Ausstellungen wie die Documenta funktionieren anders - und locken damit die Massen

Fast eine Million Besucher werden in diesem Jahr zur Documenta erwartet. Was macht das alle fünf Jahre stattfindende Kultur-Event so anziehend? Die Kunstsoziologin Dagmar Danko erklärt es im Drei-Fragen-Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Wieso interessieren sich Menschen überhaupt für Kunst?
Ausstellungen sind ein Kommunikationsmedium des Sozialen: Gesellschaften drücken darin aus, wie sie sind oder sein wollen. Kunst ist eine Form der Weltbeobachtung: was wir sehen, was wir wünschen, was wir fürchten, was wir hoffen. Dadurch hilft uns eine Kunstausstellung wie die Documenta auch, unsere komplexe Welt besser zu verstehen.

Was macht die besondere Anziehungskraft von Kunstevents aus?
Der Großevent-Charakter ist ein entscheidender Aspekt der Documenta. Für Kunstinteressierte ist das wie eine Mekka-Fahrt. Den Besuchern ist klar, dass sie Teil des Ganzen sind, dass das Event nur durch ihre Anwesenheit überhaupt zum Event wird: Die Documenta als gemeinsames, kooperatives Projekt.

Was macht - im Gegensatz zu anderen Großausstellungen - das Besondere der Documenta aus?
Ein wichtiger Punkt ist, dass die Documenta nur alle fünf Jahre stattfindet. Eine Form von Entschleunigung, die in unserer beschleunigten Zeit selten und bemerkenswert ist. Im Gegensatz zu einem Museum, wo dauerhaft gezeigt wird, was wir als Gesellschaft bewahren wollen, hat die Documenta einen temporären Charakter und ist vielmehr ein Angebot statt Vorgabe. So bleibt die documenta, bei aller Größe, auch flexibel.

ZUR PERSON: Dagmar Danko hat unter anderem Soziologie und Kunstgeschichte studiert und schon früh beides verbunden. Sie ist Sprecherin des Arbeitskreises Soziologie der Künste. In ihrem Buch "Kunstsoziologie" beschreibt sie das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft. Derzeit bereitet sie für die European Sociological Association eine Konferenz vor - in der Documenta-Stadt Athen.