Sotheby's

Die Gentlemen bitten zur Kasse

Der Mann am Tisch wirkt sehr zufrieden. Er lebt zufrieden mit Stoffpunkten und Mustern zusammen, auf Auktionsrummel könnte er verzichten. Dennoch muss sich der von Konrad Lueg (der später unter dem Namen Konrad Fischer als Galerist berühmt wurde) gemalte „Mann am Tisch“ (1965) bald von Sotheby’s verabschieden. Am 29. Juni wird das Gemälde zusammen mit 58 anderen Werken aus der Sammlung Dürckheim in London versteigert. Sotheby’s erwartet allein für die knapp zwei Meter lange Leinwand einen Erlös von 200 000 bis 300 000 und insgesamt über 33 Millionen Pfund – fast 40 Millionen Euro.

Der „Mann am Tisch“ wirkt wie die Illustration eines Prinzips von Christian Graf von Dürckheim-Ketelhodt: Was er kauft, ist eigentlich Privatsache. Über Jahrzehnte hat der in London und Oberbayern lebende Unternehmer kaum etwas aus seiner Kollektion zeitgenössischer deutscher Kunst gezeigt, darunter extrem gefragte frühe Arbeiten von Georg Baselitz, Blinky Palermo, Sigmar Polke oder Gerhard Richter.

Cheyenne Westphal, Sotheby’s Contemporary-Expertin, rechnet damit, dass die Auktion zu neuen Preisrekorden für diese Künstler führt.

Viele der Werke kaufte Dürckheim ab den 70er-Jahren unmittelbar nach ihrer Entstehung und ergänzte seine Sammlung später mit Arbeiten, von denen einige bereits Geschichte gemacht hatten: „Die große Nacht im Eimer“ (1962/63) von Georg Baselitz etwa. Sie ist das Pendant zum Bild des onanierenden Jungen, mit dem Michael Werner und Benjamin Katz die Besucher ihrer Galerie in West-Berlin schockierten und das inzwischen dem Kölner Museum Ludwig gehört – Baselitz malte das Motiv zweimal.

Beide Werke wurden 1963 präsentiert, von der Polizei beschlagnahmt und erst gegen ein Bußgeld wieder herausgegeben. Heute gelten sie als Initiale im Schaffen von Baselitz, weshalb die „Londoner Version“ auf zwei bis drei Millionen Pfund geschätzt wird. Ein zweites Ölbild: „Das Idol“ (1964), in dem man mit etwas Fantasie ein Selbstbildnis des Malers erkennen kann, soll bis zu 800 000 Pfund bringen.

Der rebellische Geist jener Jahre reichte noch bis in die 80er. Zentrum war die Düsseldorfer Akademie, an der neben Richter und Palermo – dessen rotes Baumwoll- und Satinbild „Untitled“ jetzt 600 000 bis 800 000 Pfund kosten soll – auch Polke studierte. Für dessen „Dschungel“, ein großes Rasterbild von 1967, setzt Sotheby’s mindestens drei Millionen Pfund an, für „Stadtbild II“ immerhin noch zwei bis drei Millionen. Gleiches gilt für Richters verwischten „Telefonierenden“ (1965), der gleich im ersten Jahr nach seiner Zeit an der Akademie entstand. Ein frühes und dennoch überzeugendes Beispiel seiner malerischen Experimente.

Christian Dürckheim schloss 1985 das Sammeln deutscher Kunst ab und dachte kurz über ein eigenes Museum nach. Doch erstens entspricht das populäre Format dann doch nicht seiner diskreten Art. Und zweitens hat sich sein Interesse schon länger verlagert, hin zu den Young British Artists und aktueller Film- wie Fotokunst.

Nun dürfen also andere Sammler und Museen ihre zeitgeschichtlichen Lücken füllen. Falls sie mithalten können: Die Fülle der Raritäten und ihre Qualität werden für enorme Aufmerksamkeit sorgen.

Sotheby's, London "Contemporary Art Evening Auction", 29. Juni