"Desert X"

Wem gehört die Wüste?

In der kalifornischen Wüste findet alle zwei Jahre die "Desert X"-Biennale statt. Bei der aktuellen Ausgabe fragen Künstlerinnen und Künstler in spektakulärer Kulisse nach Besitzverhältnissen und Zugehörigkeit 

Die Wüste kann ein Ausstellungsraum sein: Als Leinwand für Themen, die für die Gesellschaft von großer Bedeutung sind, dient sie dieses Jahr 13 Künstlern und Künstlerinnen. Zwischen Los Angeles und San Diego liegt das Coachella Valley, ein von Golfplätzen umrahmter Wüstenabschnitt in Kalifornien. Seit 2017 findet hier die alle zwei Jahre eine im öffentlichen Raum kuratierte Ausstellung "Desert X" statt, die den staubigen und trockenen Ort in eine Projektionsfläche für zeitgenössische Kunst verwandelt.

Die Künstler und Künstlerinnen erzählen mit ihren Werken Geschichten von Migration, sozialer Gerechtigkeit, Rassismus und der Verweigerung von Landrechten für die indigene Bevölkerung. "So sehr die Wüste ein Zustand des Ortes ist, so sehr ist sie auch ein Zustand des Geistes. Ihre Grenzen sind nicht singulär, sondern vielfältig, und sie wird ebenso sehr durch soziale Geografie wie durch physische Grenzen definiert", sagt der künstlerische Leiter Neville Wakefield. "Für 'Desert X 2021' haben wir uns von der Art und Weise inspirieren lassen, wie Wüsten geformt werden, von den natürlichen Prozessen, die ihre Oberflächen verwittern lassen und ihre Geografien erweitern", sagt Co-Kurator César García-Alvarez.

Bewusstseinsschärfung für die Geschichte der USA

Die Künstlerin Judy Chicago, die durch ihre feministischen Arbeiten 1970er und 1980er Jahren berühmt wurde, wird zum Beispiel im April einmalig einen Kontrapunkt zu den männlich dominierten Narrativen der Kunstwelt setzen, indem sie mit ihrer Skulptur "Living Smoke; A Tribute to the Living Desert", aus pink- und lilafarbenem Rauch bestehend, die Landschaft vorübergehend transformiert. Die Aktion hinterlässt keine Spur - anders, als bei den massiven Eingriffen in die Natur, die die Werke von männlichen Größen der Land Art geprägt haben.

Dauerhaft sichtbar sein will dagegen Xaviera Simmons, die sich mit ihrem Werk "Because You Know Ultimately We Will Band a Militia", einer Reihe von Plakatwänden an der Landstraße, mit der amerikanischen Mythenbildung durch visuellen Konsum beschäftigt. Ihre Plakate, die unter anderem Wörter wie "undo", "unravel", "admit", "amend" und "abolish" (deutsch: "rückgängig machen", "aufdröseln", "zugeben", "ändern", "abschaffen") zeigen, thematisieren Strukturen des Widerstands und der Gegenerzählungen, die schon immer als radikale Antworten auf grundsätzliche Fragen nach Ehrfurcht, Widerstand und die Umverteilung von greifbaren materiellen Ressourcen galten. 

Nicholas Galanins Werk greift diese im wahrsten Sinne plakative Form der Darstellung auf. "Never forget" sind riesenhafte Buchstaben, die die Wörter "Indian Land" formen und dem berühmten "Hollywood-Schild" ähneln. Ursprünglich sollte das in den Hügeln von Los Angeles thronende Wahrzeichen der dort ansässigen Filmindustrie "Hollywoodland" heißen und eine Siedlung nur für weiße Menschen fördern. Galanins Arbeit ist eine Bewusstseinsschärfung für die Historie der Landverteilung in den USA, die in der Wüste besonders eindrücklich wirkt.