Neu im Kino: "Schatzkammer Berlin"

Der Lärm des Tauchgangs

Ende 2019 soll das Humboldt Forum eröffnet werden. Der Dokumentarfilm "Schatzkammer Berlin" möchte bereits jetzt auf das Großereignis einstimmen. Dafür packt er die Schätze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus und zeigt die 19 Museen umfassende Institution auf der Schwelle zur Selbstkritik. Bevor jedoch die Fragerei nach der Provenienz das Feiern vermiest, schlägt die Stunde der PR

Nein, in diesen Ausstellungshäusern kommt die Forschung nicht zu kurz. Auf der Jagd nach neuen Erkenntnissen - beziehungsweise nach PR - scheut selbst der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz keinen noch so waghalsigen Körpereinsatz. Hermann Parzinger taucht ab, im Fluss Tollense in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn es um das "älteste Schlachtfeld der Menschheitsgeschichte" geht, nimmt er schlechte Sicht samt gefährlicher Strömungen in Kauf und wühlt persönlich im Schlamm. Jede Menge Pfeilspitzen, Schmuck und Knochen tauchen so aus der nassen Dunkelheit auf.

A propos Spannungsdramaturgie. Die ist mit der Pilger-Madonna namens Nofretete gleich am Anfang der Koproduktion zwischen dem Auswärtigen Amt, der Deutschen Welle, den Sendern rbb und ARTE etwas arg vorhersehbar geraten. Und dann schon wieder dieser Lärm aus Superlativen. Der Kopf sei der "Inbegriff der Schönheit", und das, obwohl sich das Ideal oft genug gewandelt habe, schwärmt Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums. In Zeiten von Rubens hätte man sie keines Blickes gewürdigt. Später habe man sie als Wiedergängerin einer Greta Garbo gefeiert. Ob der Skater die Einschätzung teilen kann, der mit einer Kopie der Büste im Arm Berlin verunsichert?

Zu dem Jugendlichen gesellen sich noch ein Alt-Hippie oder ein Post-Punk. Sie alle tragen Imitate von ausgewählten Kunstwerken durch die allen Kulturen ostentativ wohlgesinnte Kapitale. Regisseur Dag Freyer lässt sie in ihrer ganzen "Schönheit" unter die Lupe nehmen, am liebsten von den Leitern der jeweiligen Häuser, die ohne Angst vor Redundanz schon wieder als "Tempel der Schönheit" apostrophiert werden. Aber auch Kuratoren, Restauratoren und Spezialisten aller Art kommen basisdemokratisch zum Zuge. Das sei ihnen gegönnt, denn wann wird man schließlich mit einer Vertreterin der Teppich-Forschung konfrontiert, die schon manch ein Objekt zu datieren geholfen hat? Oder mit Archäologen, die in Nordwestchina durch bröckelnde Höhlen stampfen und dabei auf dramatische Zustände sich selbst überlassener Wandmalereien hinweisen? Kurz taucht eine interessante Frage auf: Darf man hier eingreifen, oder wäre die Rettung ein Akt eurozentrischer Bevormundung?

Die Bedenken sind wenige langatmige Schnitte weiter wie weggeblasen. Dank der Neugier von Reinhard Kleist, Autor von Graphic Novels, bekommt man Zugang zum Kupferstichkabinett, wo eine Ausgabe der "Göttlichen Komödie" mit wahrhaftigen Illustrationen eines Sandro Botticelli aufwartet. Unglaublich! Faszinierend! Und ja: spannend! Nur wo soll das alles hinführen, wenn das Highlight-Hopping kein Ende nehmen will und die Lust am Streit in weite Ferne segelt? Selbst im sogenannten Aleppo-Zimmer aus dem frühen 17. Jahrhundert ist man sich einig: Möge der Krieg in Syrien jede zivilisatorische Hemmschwelle überschreiten, im Museum für Islamische Kunst ist das holzvertäfelte Wunder sicher, wo Flüchtlinge als angelernte Guides den Besuchern die eigene und auch die fremde Kultur näherbringen.

Zum Schluss wird dann doch noch ein heißes Provenienz-Eisen angepackt. Denn: "Museen können Diskurse anstoßen", gibt die erzählende Off-Stimme zu Protokoll. Wie geht man etwa mit dem Erbe aus der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun um? Da wäre der Thron "Mandu Yenu", der demnächst aus dem Ethnologischen Museum ins Humboldt Forum umziehen soll. Vermisst man das mit Perlen bestickte Königsutensil überhaupt am Ort seiner Herstellung? Der fehlende Thron sei zwar in seiner Heimat ein Thema, erfährt man im exzentrischen neuen Palastmuseum in Fumban, das einer doppelköpfigen Schlange nachempfunden ist. Aber da es sich um ein Geschenk des damaligen Königs an Kaiser Wilhelm II. handelt, möchte man es auch heute noch als Botschafter der Bamum-Kultur in Deutschland belassen. Beistand bei der Konservierung und Restauration der eigenen Bestände sei trotzdem willkommen.

Alles halb so wild also? Was die wirklichen Kontroversen angeht, geht der Film auf Tauchgang. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass alle Fälle einer möglichen Restitution so glimpflich ausgehen werden.