Bruce-Nauman-Biografie

Chance vertan

Kunstbücher sind heute meist entweder Bildbände oder theoretische Schriften. Fast ausgestorben scheint dagegen das einst so beliebte Genre der Künstlerbiografie. Nur ab und zu erscheint dann doch ein Buch, das eine Vita so geschickt beleuchtet, dass das Licht auf das ganze Werk abstrahlt. Eine der Letzten, die den Schalter dazu fand, war Susanne Kippenberger mit ihrer famosen Chronik "Kippenberger – der Künstler und seine Familien" von 2007.

Auch die mehr als vier Jahrzehnte umspannende Karriere des heute 72-jährigen Bruce Nauman böte einen solchen Stoff. Als "erstes Buch über seine gesamte Karriere" kündigte Phaidon eine Publikation an, die alles auf einmal sein soll – Biografie, Werkmonografie und mächtiges Coffee-Table-Book. Autor Peter Plagens, wie Nauman Jahrgang 1941, begegnete ihm erstmals 1968. Als "netter Typ" habe sich der Künstler dabei erwiesen, auch wenn sein Werk einen eher unfreundlichen Eindruck gemacht habe. Und er bringe bis heute die kunstaffine Öffentlichkeit in Verlegenheit, weil er ihr keine "T-Shirt-tauglichen Bilder" liefere.

Nichtsdestotrotz hat sich der langjährige "Newsweek"-Kritiker genau dieses Publikum für seinen 100 Euro teuren Band ausgesucht, um mit launig vorgebrachten Allgemeinplätzen das Eis zu brechen. Naumans berühmte Farbfotografie "Self Portrait as a Fountain" lässt ihn – leider ohne Quelle – den populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts zitieren: "Picasso soll gesagt haben: 'Wenn ein großer Künstler spuckt, ist es Kunst.'" Solch ein vollmundiger Ton sei dem Amerikaner aber stets fremd gewesen. "Er war kein bombastischer Proklamierer, sondern ein ängstlicher Zweifler."

So geht es noch lange weiter. Plagens fällt es leichter zu sagen, was Nauman nicht ist, als seine Ästhetik beim Namen zu nennen. "Er ist nicht langweilig", heißt es da etwa. Oder: "Leicht hätte er ein schillernder Neo-Duchampianer werden können ... Er hätte mit seiner eigenen Version des Flaschentrockners oder Urinals kommen können, doch er wollte nicht Dada aufwärmen."

Die wenigen Interviews, die der Künstler in den vergangenen Jahren gegeben hat, handeln von der Scheu, sich erklären zu müssen. Gegenüber der "Zeit" verwies er 2004 auf einen Satz aus einer eigenen Arbeit: "Menschen sterben an Selbstentblößung." Plagens kann offenbar nicht auf ein selbst geführtes Gespräch zurückgreifen – obwohl er ständig Naumans Positionen zu vertreten vorgibt. Seine wichtigste Quelle ist eine "Oral-History"-Session, die das Smithsonian Institute bereits 1980 mit Nauman führte – wenngleich er dessen verdienstvolle Autorin Michele D. De Angelus im Text als "einen Interviewer" marginalisiert.

Plagens ist einer der besten Kenner der amerikanischen Nachkriegsavantgarde. Doch das bigger picture zeichnet er nicht. Wie reizvoll wäre es gewesen, diese erstaunliche Karriere einmal in die US-Kunst der vergangenen vier Jahrzehnte einzuordnen.

Peter Plagens: "Bruce Nauman: The True Artist". Auf Englisch. Phaidon, 288 Seiten, 100 Euro