Balenciaga-Schau

Hommage an die Furchtlosigkeit

Es herrscht Krieg in Europa – und in Paris feiern sie Modewoche. Der georgischstämmige Designer Demna Gvasalia hat für Balenciaga auf dem Laufsteg eine Antwort auf die aktuelle Situation versucht

Schon vor der "360° Show" am Sonntag, waren auf dem Instagram-Account des französischen Modehauses Balenciaga alle Bilder gelöscht worden. Ein einziger Post zeigte die Farben der ukrainischen Flagge, Blau und Gelb, in der Caption wurde dem von Russland angegriffenen Land Unterstützung versprochen: "Wir stehen für Frieden."

Doch anders als bei den meisten Modehäusern blieb es nicht dabei: Creative Director Demna Gvasalia (der nur noch beim Vornamen genannt werden will) widmete Balenciagas Winter-2022-Kollektion den Flüchtenden und Geflüchteten – zu denen er selbst auch zählt. 1993 musste Demna seine Heimat Georgien verlassen und "wurde zu einem immer währenden Flüchtling". So steht es auf einer Statement-Karte, die vor der Show auf den Sitzplätzen der Gäste zu finden ist, zusammen mit einem blau-gelben T-Shirt.

"In einer Zeit wie dieser verliert Mode ihre Relevanz und ihr eigentliches Recht zu existieren. Die Modewoche fühlt sich wie eine Absurdität an", heißt es da weiter. Damit sprach Demna eine Wahrheit aus, die viele in den letzten Tagen gefühlt hatten, während es von Mailand nach Paris ging, von Modenschau zu Modenschau. Doch er wolle die Show nicht opfern, und das Böse erneut gewinnen lassen, erklärt er weiter, stattdessen sei sie eine Widmung an die Furchtlosigkeit, den Widerstand und den Sieg von Liebe und Frieden.

Überdimensionale Weihnachtskugel

Wie in einer überdimensionalen Weihnachtskugel beobachten die Zuschauenden die Models, wie sie sich durch einen heftigen Schneesturm mit starken Windböen kämpften, in den Händen Plastiksäcke – es ist furchtbar kalt, der Schnee angeblich echt. Ein Bild, das an Vertriebene erinnert, die ihr wichtigstes Hab und Gut in Einwegtüten mit sich tragen, auf ihrem Weg ins Ungewisse. Schwarze, hautenge Looks und Pfennigabsätze wechseln sich ab mit im Wind kämpfenden Roben.

Die übergroßen Schultern und spacigen Sonnenbrillen gehören von Anfang an zu Demnas Signatur und werden mit kniehohen, weiten Stiefeln gepaart, dazwischen laufen Models mumienhaft in Balenciaga-Klebeband gewickelt. Ein Look erinnert an ein weißes Unterwäsche-Set, das Model schlingt sich frierend eine Decke um die Schultern. "Wenn ich meine Vergangenheit visuell darstellen müsste, dann wären es eben genau diese halbnackten Leute, die durch den Wind gehen", erklärt Demna nach der Show.

Die Präsentation rührt an, ohne pathetisch zu wirken, zeigt die Hässlichkeit, mit der sich der kreative Kopf hinter den Entwürfen auseinander setzen musste und schafft es, Mode und das aktuelle Weltgeschehen ohne jeden cringe zu verbinden. Erneut deutet Balenciaga dem Zeitgeist den Weg.