Ein blitzblanker schwarzer Bühnenboden, darauf ein dunkler Bürotisch mit Lampe, dazu zwei unterschiedlich große Screens. Und plötzlich betritt die ebenfalls in schwarz gekleidete Künstlerin Coco Fusco das so minimalistische wie schicke Setting. Unter ihrem Arm trägt sie drei Kisten voller Post. Als Agentin der Antigone sortiert sie die Sendungen, schaut nach interessanten Anfragen, darunter auch eine nach einer möglichen Aufführung des Stückes auf dem Mond.
Gelangweilt eröffnet sie dann eine Konferenzschaltung mit anderen möglichen Klienten, darunter ein Politiker, der, wie jetzt auf einem der Bildschirme zu sehen ist, gegen ein Gesetz ankämpfen will, das die Unterstützung von homeless people unter Strafe stellt. Blitzschnell schaltet die Agentin weiter. Es folgt unter anderem ein kurzes Gespräch mit der Sekretärin des Philosophen Slavoj Žižek, die um einen Kontakt zu Antigone bittet.
Also schaltet Fusco um in die Unterwelt Hades, um die Anfrage mit der Gewünschten zu besprechen. Mit Fangopackung im Gesicht und weißem Bademantel bekleidet – "man muss mit der Zeit gehen", so Antigone – stimmt diese ein wenig gereizt zu. Das Gespräch dann ist Comedy pur: Žižeks "Macken", seine hektische Gestik zum Beispiel, werden hier genussvoll zelebriert. Inhaltlich aber wird da nicht wirklich etwas verhandelt.
Von Putin bis zu den "Digital Natives"
Und so geht es in der gut einstündigen Theaterperformance in den Sophiensaelen in Berlin-Mitte weiter: Wie in einem Potpourri werden nahezu alle virulenten politischen Thema mehr oder weniger ernsthaft angetippt, das Spektrum reicht von Putin über feministische Fragestellungen bis hin zum Realitätsverlust der "Digital Natives".
Das ein oder andere Gelächter zeugt von Unterhaltungswert. Peter Sellars' Internet-Auftritt dann gehört zu einem Höhepunkt der Vorstellung, spielt er doch tatsächlich sich selbst. Der legendäre Theaterregisseur mit der markanten Haarfrisur plaudert da engagiert mit Antigone, zum Beispiel über Pathos und über ihre Beziehung zu ihrem Vater.
Gegen Ende der Theaterperformance dann eine Schaltung in ein Gefängnis in Hongkong. Ein verstorbener politischer Häftling liegt hier auf dem Boden, seine Mitinsassen beklagen sein und ihr Schicksal – und fragen sich, wie der Mann denn wohl beerdigt wird. Genau diese Frage nach dem Menschenrecht auf Beerdigung ist ja in der Tragödie der Ausgangspunkt für Antigones Widerstand gegen ihren herrischen Onkel.
Man hat einfach mehr erwartet
In ihrem Video "Your Eyes Will Be an Empty Word", 2021, das gerade in ihrer überragenden Ausstellung im Berliner KW zu sehen ist, greift Fusco dieses Thema angesichts eines Massengrabs für "anonyme" Opfer der Covid-Epidemie in New York auf. Mit elegischen Bildern, die mit einer Stimme aus dem Off gegengelesen werden, die Humanität für alle einfordert, nähert sich Coco Fusco diesem Thema so empathisch wie systemkritisch.
Nicht nur diese beiden Momente lässt "Antigone is Not Available Right Now" vermissen. Und genau deswegen enttäuscht diese Polit-Pop-Posse letztlich dann doch. Man hat einfach mehr erwartet.