Anfang der 70er-Jahre war die Farbfotografie ein Schatz, der an Ahnungslose ausgeschüttet wurde. Während sich Fotoamateure auf der ganzen Welt plötzlich für bunte Bildchen entschieden, blieben die meisten Profis skeptisch. Der Italiener Luigi Ghirri gehörte zur ersten Fotografengeneration, die gleich und ohne Ressentiments auch in Farbe arbeitete. Es ist dieselbe Zeit, als in den USA Stephen Shore oder William Eggleston damit beginnen, obskuren Orten erhabene Farbwirkungen zu entlocken. Ghirri steht ihnen in nichts nach.
Der 1992 mit nur 49 Jahren verstorbene Fotograf war ein Ästhet des Unscheinbaren, sein Verzicht auf prägnante Aktionen verleiht vielen Bildern eine Art inneren Klang. Seine Werke aus den 70ern im Essener Museum Folkwang legen nahe, dass damals ein Meister vom Himmel gefallen ist. Auch wenn er erst lange nach seinem Tod in den USA eine Einzelausstellung erhielt, erscheint er als Pionier der "New Topographics"-Schule. Tatsächlich schärfte eine Begegnung mit der amerikanischen Sozialfotografie der 30er-Jahre seinen Blick für Landschaftskompositionen zusätzlich und verleiht den Weiten der Emilia-Romagna manchmal einen Hauch vom Mittleren Westen.
Ein Vorbild aber scheint er auch im eigenen Land gehabt zu haben: Antonionis ersten, bereits 1964 gedrehten Farbfilm "Die rote Wüste", der in und um Ravenna spielte. Es ist bekannt, dass Antonioni bei den Dreharbeiten Bäume und Gräser weiß anstreichen ließ, um die Farben besonders zu betonen. Ghirri erreichte mit rein fotografischen Mitteln eine ähnliche Entrücktheit. Wie Antonioni entwickelte er einen fast abstrakten Schönheitssinn, der seine magische Farbpalette im Profanen findet.
"Am Ende warten die Orte, Dinge und Gesichter, die rein zufällig auftauchen, nur darauf, dass jemand sie erkennt", sagt Ghirri, "ohne jene Herablassung, die das bloße Einordnen in den endlosen Supermarkt der Außenwelt bedeutet."
1977 gründete Ghirri einen kleinen Verlag, 1978 erschien dort auf billigem Papier sein erstes Fotobuch "Kodachrome". Die von James Lingwood kuratierte Ausstellung orientiert sich an einer großen Werkschau mit 300 Fotos, die 1979 nach Vorgaben Luigi Ghirris in Parma ausgerichtet wurde. Das kleine Format, das Ghirri bevorzugte, unterstreicht die Diskretion seines Blicks und die Konzentration, die sie beim Betrachten weckt. Und wieder mag man sich an das existenzialistische Erbe der Filme Antonionis erinnern. "Ich frage mich", überlegte Ghirri im Vorwort zu "Kodachrome", "ob es noch möglich ist, die Identität des Menschen, der Dinge, des Lebens aus dem Abbild des Menschen, der Dinge, des Lebens rückzuschließen."