Documenta in Athen

Über den Anfang und das Ende des Westens

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An der Hochschule der Bildenden Künste in Athen arbeitet der australische Künstler Gordon Hookey an einem Mural für die Documenta 14

Wer teilnimmt, wo ausgestellt und was gezeigt wird - lange hielt sich das Team der Documenta 14 bedeckt. Nun aber lässt sich die Ausstellung in Athen kaum noch verbergen

Die Frühlingssonne knallt auf das Baugerüst an einer Wand der Athener Hochschule der Bildenden Künste. Für den Australier Gordon Hookey kein Problem: Aus Brisbane ist der Künstler ganz andere Temperaturen gewöhnt. Unverdrossen arbeitet er auch während der Mittagshitze an einer Wandmalerei für die Documenta 14, einer geballten Faust neben einem Regenbogen auf einer gut acht Meter hohen Wand.

Am Samstag (8. April) eröffnet die Documenta 14 in Athen, bereits zwei Tage vorher (6.4.) darf sich die Fachpresse umsehen. Gut 50 Locations werden in der griechischen Hauptstadt zum Schauplatz der weltweit renommiertesten internationalen Ausstellung für zeitgenössische Κunst, rund 150 Künstler zeigen in Athen und dann auch in Kassel ihre Werke. Lange hatte sich das Team um den künstlerischen Leiter Adam Szymczyk bedeckt gehalten, was Namen und Örtlichkeiten betraf. Beim Endspurt aber lassen sich die Verantwortlichen nun über die Schulter schauen.

So etwa auf dem Campus der Athener Hochschule der Bildenden Künste. Hier steht die große Produktionshalle einer ehemaligen Textilfabrik für die Documenta 14 bereit; Wände wurden eingezogen, es wurde gestrichen und gewerkelt, mittlerweile sind neben den Handwerkern und Technikern die ersten Künstler mitsamt Bildern, Installationen und Fotografien eingetroffen. Die Australierin Bonita Ely wird hier ebenso ausstellen wie die marokkanisch-französische Künstlerin Bouchra Khalili, der Norweger Hans Ragnar Mathisen und andere mehr.

"Für mich beginnt die documenta in Athen mit dem Klassizismus des 18. Jahrhunderts", sagt Hendrik Folkerts, Kunsthistoriker und einer der fünf Kuratoren im Team von Szymczyk. Der Niederländer, der vor seinem Documenta-Einsatz Kurator des Stedelijk Museums in Amsterdam war, will die Documenta 14 nicht nur in der griechischen Krise verortet wissen, auch wenn diese dazugehöre. Es ist vielmehr die Verbindung von der einstigen europäischen Sehnsucht nach der Antike bis hin zur heutigen Finanz- und Flüchtlingsproblematik, aus der man gut und gerne "fünf Documentas" machen könnte, wie er sagt.

"Im Grunde ist es ein Paradoxon. Griechenland könnte sowohl für den Anfang als auch das Ende des Westens stehen - damals kulturell, heute ökonomisch", sagt Folkerts. "Hinzu kommt, dass die europäische Geschichte sich längst weltweit wiederholt - und da können dann alle mitreden." Etwa Gordon Hookey, der als Waanyi-Aborigine im australischen Bundesstaat Queensland aufwuchs und mit seinen politischen Gemälden und Skulpturen gerne provoziert.

"Wir wissen in Australien sehr gut, was hier in Griechenland passiert", sagt Hookey. "Immerhin, wir haben mit Melbourne gemessen an den Einwohnern die zweitgrößte griechische Stadt weltweit - nach Athen!" Das Trauma, das die Griechen derzeit erlebten, sei durchaus vergleichbar mit früheren und aktuellen Traumata anderer Länder, Völker und Gruppierungen. "Es sind generationenübergreifende Verletzungen, die da stattfinden, gleichgültig ob es sich um Rassismus, Diskriminierung oder wirtschaftlichen Niedergang handelt."

Dass Letzteres durchaus zutrifft, dürfte in Athen auch das Documenta-14-Team gemerkt haben. Offen gibt es niemand zu, aber hinter vorgehaltener Hand wird von so manchen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Griechen berichtet. Der 21-jährige Thanassis, Student der Athener Kunsthochschule, fasst zusammen: "Klar, es ist toll, dass die Documenta hier ist. Sie haben viel Geld mitgebracht - die renovierte Halle unserer Hochschule beispielsweise wird uns dann überlassen, das ist großartig."

Aber, sagt er, wer das Geld hat, bestimme auch, was zu geschehen hat - gleichgültig, ob es sich um Kunst oder die Volkswirtschaft und Gesellschaft eines ganzen Landes handele. "Diese Ausstellung ist natürlich nicht unser wirtschaftliches Niveau - davon kann man hier als Künstler nur träumen", stellt er fest.

Immerhin, für etliche griechische Künstler, die auf der Documenta 14 ausstellen, wird dieser Traum nun wahr. Vielleicht kann die Kunstschau also auch so manche Wunden heilen. Gordon Hookey jedenfalls hat während seines bisherigen Aufenthalts festgestellt, dass die Griechen zwar sehr stolz, sehr verletzt und entsprechend misstrauisch sind, sich aber gleichzeitig auch absolut begeistern für die renommierte Ausstellung in ihrer Hauptstadt.