Gruppenschau in Wien

Zeichen für Optimismus

In Wien entdeckt die Schau "Beton" die Schönheit in der Tristesse

Es war ein Fanal der Moderne und der Anfang der Postmoderne: Im März 1972 wurde eines der Vorzeigewohnprojekte der Nachkriegsära in St. Louis gesprengt. "Pruitt-Igoe", so der Name jener Siedlung, galt als gescheitertes Projekt des Funktionalismus, Armut und Vandalismus konnten nicht aufgehalten werden. Sein Baustoff: Beton. Was blieb, sind Bilder einer Wohnsiedlung, die in einer gigantischen Staubwolke versinkt.

"Pruitt-Igoe Falls" hat Cyprien Gaillard 2009 eines seiner Videos genannt: Es zeigt die Sprengung eines ähnlichen Kastens in Glasgow. Der Baustoff Beton ist seit den 70er-Jahren zusehends synonym zu einer dystopischen, lebensfeindlichen Umwelt geworden, dem die Zukunftslosigkeit scheinbar eingeschrieben ist. Das war nicht immer so, wie die lapidar "Beton" betitelte, sehenswerte Ausstellung in der Kunsthalle Wien zeigt. Kritische Distanz und Faszination halten sich hier die Waage.

Auch architektonische Spitzenwerke des 20. Jahrhunderts sind aus Beton errichtet worden. Eine Fotoserie von Annette Kelm zeigt das "Ennis House" von Frank Lloyd Wright in Los Angeles von 1924 in einem Zustand vor der Renovierung: eine bröckelnde Ikone. Kunstschaffende haben den formbaren und für viele Zuschreibungen offenen Werkstoff seiner skulpturalen Qualitäten wegen schätzen gelernt: Isa Genzken etwa, die in den 80er- und 90er-Jahren Betonserien wie die "Weltempfänger" entwickelte. Auch Isa Melsheimer formte Betonobjekte als Reminiszenzen an verschwundene brutalistische Betonarchitekturen.

Nicht überraschend, dass im Ausstellungsraum die Farbe Grau dominiert – als Betonimitat-Tapete aus Kunststoff etwa erweist sich die gesamte Wandverkleidung, auf der auch eine Pseudo-Eierkartoninstallation von Olaf Metzel hängt. Verhaltene Hoffnung macht das Video "Africa Shafted" von Ingrid Martens. Der Film porträtiert den zylindrischen Wohnblock "Ponte Tower" in Johannesburg, aus dem die privilegierte weiße Oberschicht ausgezogen ist. Die acht Fahrstühle des Gebäudes werden zu temporären Begegnungszonen für die aus allen Gegenden Afrikas stammenden Bewohner – und stehen so wiederum als Zeichen für Optimismus.