Wird Berlin jetzt Bilbao?

Neben der gerade eröffneten Temporären Kunsthalle bekommt die Hauptstadt nun auch die seit Langem geforderte „feste“ Kunsthalle. Doch Freude über die vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit verkündeten Pläne mag nicht aufkommen, die Reaktionen schwanken zwischen Entsetzen und Verwunder- ung. „Berlin hat eine unendliche Anzahl von basisorientierten, subkulturellen Produktionsstätten. Deshalb fasziniert die Stadt das Ausland“, sagt Christoph Tannert, Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien und Sprecher der Initiative Berliner Kunsthalle, im Gespräch mit Monopol. „Jetzt kommt der Bürgermeister und meint, auf dieser schönen, ungedüngten Unterseite von Berlin müsse man mit glanzvoller Architektur eine großherrschaftliche Kunsthalle errichten. Von oben eine solche Kunsthalle zu inthronisieren ist sicherlich der falsche Weg.“
 

Tatsächlich lassen die Pläne des Senats Schlimmes befürchten: Am zentralen Humboldthafen soll ab 2010 ein spektakulärer Museumsbau à la Guggenheim Bilbao entstehen, konzipiert und realisiert durch private Investoren. Wowereit hofft tatsächlich auf einen „Bilbao-Effekt“, ganz so, als sei Berlin ein trostloser spanischer Industriestandort und nicht längst die heimliche Kunsthauptstadt der Welt.
Sei es drum: Die Kunsthalle soll im Verbund mit einem Sammlerhaus für moderne Kunst errichtet werden, daneben wird es Promenaden und Häuser für Büros, Boutiquen und Wohnungen am Wasser geben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Nicolas Berggruen, Sohn des Jahrhundertsammlers Heinz Berggruen, erster Anwärter auf das Grundstück ist. Auch wenn Wowereit ganz offensichtlich begeistert vom smarten Sohn des Ehrenbürgers ist – über dessen Qualitäten als Immobilienentwickler ist derzeit weit mehr bekannt als über seinen Kunstsachverstand.
„Wenn Herr Berggruen dort sein Sammlermuseum bauen will, dann muss man ja nicht daneben noch einen Superkunsthallenbau errichten, der aus landeseigenen Mitteln unterhalten wird“, sagt Tannert. Er kritisiert, dass dieses „Geschäft auf Gegenseitigkeit“ die Kunst zum Gentrifizierungsfaktor degradiere. Notwendig sei jetzt eine breite öffentliche Diskussion darüber, wer die Halle kuratorisch führt und welche Öffentlichkeit angesprochen werden soll.
 

Unterdessen hofft Tannert auch weiter auf eine kulturelle Nutzung des Berliner Großblumenmarktes. Der Markt im Stadtteil Kreuzberg liegt zwischen jungen Galerien, dem Jüdischen Museum und der Berlinischen Galerie; seit Monaten wird dort über Konzepte für eine Kunsthalle diskutiert. Kontakt gesucht habe Wowereit nicht, sagt Tannert. „Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, mit wem sich Wowereit bespricht.“