Was passiert, wenn sich das Individuelle auflöst, demonstriert Paul Pfeiffer in Berlin

Paul Pfeiffer lässt Leute verschwinden. Marilyn Monroe etwa entfernte er per Mausklicks aus den Strandfotos von George Barris. Pfeiffer ist ein Magier der Bildbearbeitung, ein David Copperfield der Computertechnik. Doch er will sein Publikum nicht täuschen. Nur Identitäten aus dem Bildrahmen verbannen. „Die Menschen neigen dazu, sich auf die Persönlichkeit des Individuums zu konzentrieren“, sagt Pfeiffer. Wie subversiv es sein kann, wenn diese Individuen nicht mehr auftauchen, sieht man nun in seiner Ausstellung bei Carlier/Gebauer. Zum Beispiel bei der Projektion „Cross Hall“, die das Bild einer Überwachungskamera aus einem Korridor zeigt. Dieser Gang ist ein hinter der Projektionsfläche aufgebautes Miniaturmodell. Das Fehlen jeder Aktion auf der Leinwand schärft den Blick für die baulichen Details des Flurs und die Gedanken über diese Architektur der Kontrolle.

Ähnlich funktioniert die Videoarbeit „Caryatid (Red, Yellow, Blue)“. Hier treten zwar Menschen auf, sie fallen aber sofort wieder: Pfeiffer hat die Stürze von gefoulten Fußballspielern nach der Trikotfarbe geordnet und hinterein- andergeschnitten. Der individuelle Schmerz verwischt im Ballett der Primärfarben, die Einzelperson geht in der Masse auf – ein Kunstgriff, der auch das letzte Werk der Ausstellung, „Live from Neverland“, bestimmt: Auf einem Bildschirm läuft eine Rechtfertigungsrede von Michael Jackson zu den Vorwürfen des Kindesmissbrauchs. Der Ton jedoch stammt von einer benachbarten Projektion, in der 78 in Weiß gekleidete Schüler die Worte Jacksons simultan sprechen. Mit solchen Anonymisierungen gelingt es Paul Pfeiffer auch, gängige Medienstrategien bloßzustellen.
 

Galerie Carlier/Gebauer, Berlin, bis 11. Oktober