Kunst und Mode

Was macht die Kunst, Ayzit Bostan?

Frau Bostan, zur Frankfurter Schau „Not in Fashion. Mode und Fotografie der 90er Jahre“ haben Sie eine Tanzchoreografie für Ihre Entwürfe entwickelt. Was sehen wir da?
Die Idee ist: Ich will meine Stücke am bewegten Körper zeigen, ohne eine klassische Modenschau zu machen. Im Januar war ich zu einer Ausstellung in München eingeladen. In dem Video, das ich dort gezeigt habe, ertanzt sich ein Model meine Kollektion. MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer hat das gesehen und mich nach Frankfurt eingeladen. Dort findet eine Liveperformance statt.

Wie ertanzt man sich denn Kleidung?
Das hört sich vielleicht ein bisschen hippiemäßig an, aber jemand, der sensibel und bewusst mit seinem Körper umgeht, kann Details der Mode sichtbar machen. Das Model in dem Video war klassische Tänzerin und hat das ohne große Anleitung von mir geschafft.

Die Frankfurter Ausstellung soll ja zeigen, wie die Mode der 90er die bildende Kunst beeinflusst hat.
Ich weiß gar nicht, ob das unbedingt der Fall war. Ich glaube eher, eine gemeinsame Generation hat eine eigene zeitgenössische Spur hinterlassen. Das war nicht anders als heute.
 
Hat Sie aus der Zeit jemand geprägt? Schließlich fingen Sie damals an, sich für Mode zu interessieren.
Da gab es wahnsinnig viele. In der Mode war es auf jeden Fall Helmut Lang, aber in der Kunst? Ich bin permanent zu Ausstellungen gefahren, von Eggleston bis Kippenberger. Alles Leute, denen ich mich hinsichtlich ihrer Haltung der Welt gegenüber verwandt gefühlt habe. Sie hatten nicht den klassischen Blick auf die Dinge, sondern eher einen anarchistischen, spröden.

Das klingt, als hätte Sie die Kunst mehr beflügelt als die Mode.
Ich würde das nicht trennen. Architektur, Kunst, Mode – das ist doch alles der gleiche Kosmos. Ich erwarte von jemandem, der sich für Architektur interessiert, dass er sich auch in Kunst und Mode auskennt. Nichts passiert alleine. Ein Künstler überlegt sich ja auch, was er zu seiner Vernissage anzieht.

Kleidung als Statement.

Man ist ja immer ein Statement. Wie man aussieht, was man sagt. Das Äußere ist nun mal das erste Bild, was man vom Gegenüber sieht.

Die Präsentation Ihrer Kollektion in einer Berliner Galerie zur Fashion Week 2009 sah im Grunde aus wie eine Kunstinstallation. Da wehte die Kleidung auf langen Schnüren durch den Raum, und auf den weißen Wänden hatte die Designerin Ika Künzel Ihre Stücke noch einmal gezeichnet.
Ja, das war eine total schöne, reine Installation – der Raum, die Präsentation und die Kollektion. Für mich ist das immer ein ganzes Konzept: Wenn ich etwas gefertigt habe, überlege ich mir auch, wie ich es inszenieren will. Das gehört zur Arbeit.

Auch der Designer Hussein Chalayan zieht keine Trennungslinie zwischen Mode und Kunst. Ist er ein Vorbild für Sie?
Gewesen, ja. Sein Reifrock, der sich zum Sitzmöbel umfunktionieren lässt, war toll. Aber zuletzt hat er sich mit LED-Leuchten beschäftigt: nur ein Effekt, der mein Leben nicht berührt.

In der Schau „Dubai Düsseldorf“ im Düsseldorfer Kunstverein haben Sie voriges Jahr einen schwarz-weißen Pareo mit arabischen Schriftzeichen gezeigt. Was stand da drauf?
Einfach der Ausstellungstitel auf Arabisch, aber mit den Schriftzeichen sah das natürlich total politisch aus – und gefährlich. Damit wollte ich spielen.

Gibt es Themen, die Sie nur in Ihrer Kunst ansprechen?
Eigentlich nicht. Der „Black Flag“-Pullover mit der türkischen Flagge in Schwarz auf Grau statt Weiß auf Rot entstand durch meine Teilnahme bei „Alman Mali“ im Kunstverein München. Jetzt ergänzt er meine Printserie. Der Pulli kommt übrigens bei Türken total gut an, weil sie ihn politisch deuten. Aber auch in der Grafikszene, weil das Logo mit der Sichel und dem Stern einfach ein unerhört schönes Zeichen ist.

Es taucht in Ihrer Kollektion häufiger auf.

Das ist eben ein Teil meiner Herkunft. Als Jugendliche hatte ich große Identitätsprobleme, weil ich nicht wusste, ob ich Türkin oder Deutsche bin oder doch beides. Seit ein paar Jahren weiß ich, dass ich einfach eine Addition aus verschiedenen Kulturen darstelle.

Und diese Kulturen regen Sie an?
Der ganze Alltag inspiriert mich, Sachen, die ich sehe, die mir nicht gefallen, die ich besser machen will. Manchmal sieht man auch etwas falsch und interpretiert das dann für sich neu. Oder man reduziert, bis nur noch das Skelett übrig bleibt.

Fühlen Sie sich eigentlich in der Kunst- oder in der Modeszene wohler?
Beide sind genauso seltsam. Ich fühle mich hier und dort wohl und nicht wohl. Obwohl: Ich mag beide. 

Besprechung der Ausstellung "Not in Fashion. Mode und Fotografie der 90er Jahre", MMK- Museum für Moderne Kunst, Frankfurt