Ullens Center for Contemporary Art

Viel Lärm ums Ich

Dass Zufall gelegentlich schlauer ist als Absicht, darauf macht Kunst immer wieder aufmerksam. Bei der jüngsten Arbeit Yan Pei-Mings hat sich ein Nebeneffekt in den Vordergrund geschoben – und die Installation gewinnt dadurch. Der chinesisch-französische Maler hat im Pekinger Privatmuseum des belgischen Sammlerpaares Guy und Myriam Ullens, dem Ullens Center for Contemporary Art (UCCA), eine Parade von bemalten Fahnen an Masten befestigt, die Fahnen sollten hübsch flattern, doch nun dröhnt das dazu benötigte Gebläse wie ein Flugzeugtriebwerk. Ohrenbetäubend.

Dieser Lärm war nicht unbedingt geplant, gesteht Yan Pei-Ming. Die akustische Nebenwirkung der Installation „Landscape of Childhood“ lässt nun auch die Museumsmitarbeiter etwas seltsam dastehen: Auf ihren T-Shirts ist die einladende Aufschrift „Ask Me!“ zu lesen, doch neben Yan Pei-Mings Arbeit tragen sie Gehörschutz. Man muss sich der dargebotenen Kunst also ohne Anleitung aussetzen. Das stille Medium Malerei, vor dem man im Museum nachdenken soll und das den Sammler zu Hause nicht weiter belästigt – in diesem installativen Zusammenhang ist es aggressiv geworden.

Yan Pei-Ming stellt häufig in Europa aus, auf Biennalen und in großen Museen, er wird vertreten von renommierten Galeristen wie David Zwirner und Rudolphe Janssen – doch hier in China präsentiert, erhält seine Arbeit zusätzliche Gewicht. 1980 hat der Maler sein Heimatland verlassen, weil er an keiner Kunsthochschule angenommen wurde. Er hatte sich in China mit Porträts beschäftigt, und seine ersten künstlerischen Versuche sahen immer aus wie die Propagandabilder kommunistischen Personenkults, so erzählt Yan Pei-Ming. Als er dann erst nach Paris ging und später nach Dijon, setze er sich mit der europäischen Geschichte des Genres auseinander. Heute, nach fast 30 Jahren in Frankreich, sagt er, dass er seine chinesischen Wurzeln beinah vollkommen verloren hat („Ich bin wie eine Banane, außen gelb, innen weiß“).

Bekannt wurde der Künstler dann mit zumeist großformatigen, in grobem Pinselstrich gehaltenen Porträts. Das gewaltige Format und die expressive Ausführung lassen die Malerei – steht der Betrachter unmittelbar davor – wie abstrakte Gemälde aussehen. Entfernt man sich ein wenig, erkennt man: Mao, Bruce Lee, den Papst. Auch wenn Yan Pei-Ming jede Verbindung zu seiner einstigen Heimat leugnet, drängt sich der Gedanke auf, dass hier scheinbar unvereinbare Vorstellungen zusammen gebracht werden: das bürgerliche Personen- und das kommunistische Führerbild.

Auch im UCCA sorgt der Gegensatz zwischen Propaganda und einer unschuldigeren Repräsentation des Individuums für Spannung. Yan Pei-Ming hat auf die 34 Fahnen mit grauer Farbe die runden Gesichter Neugeborener gemalt. Die Fahne als Äquivalent zur disziplinierten Menschenmasse wird hier zusammengebracht mit dem Gesicht als Ausweis für Individualität. Dass es sich dabei um eine Parade aus Babys handelt, die unerreichbar bleiben für Ideologie und Disziplinierung, bekräftigt den Widerspruch.

Doch auch ohne diese politischen Dimensionen, die einen in China einfallen mögen, überzeugen diese Porträts allein aus formalen Gründen: Der Stoff ist so fein, dass die Gesichter im Flattern nie ganz fassbar werden – die monochromen Bilder verschwimmen wie im Rauch. Die Malerei erhält so filmische Qualität. In diesem Zusammenhang kann man die monumentale Landschaft, die Yan Pei-Ming hier direkt auf eine der Hallenmauern gemalt hat, als Kulisse verstehen. Es ist eine Landschaft, geschichtslos wie die Gesichter, wie diese ein Potential, ein Versprechen. Nähert sich der Besucher diesem Landschaftspanorama, schreitet er durch das Spalier aus Fahnen. Die Zentralperspektive ist in den Raum verlängert.

Der Maschinenlärm, der sich unverhofft erst in der Produktion ergeben hat, ist am Ende ein großes Glück für diese Arbeit: Er übertönt den Kitsch, der in der beflaggten Ornamentseligkeit, der Landschaftsidylle und der Baby-Pausbäckigkeit steckt.




Bis 11. Oktober 2009 im UCCA, 798 Art District, No.4 Jiuxianqiao Lu, Peking