Sterling Ruby in Berlin

Die Schönheit des Baseballschlägers

Sterling Rubys Mobiles legen unsere Gegenwart auf die Waagschale

Was wiegt schwerer: Kultur oder Industrie? Amerika oder Europa? Ästhetik oder Politik? Wahrnehmung oder Erinnerung? "Scales", also "Waagen", nennt Sterling Ruby seine riesigen Mobiles, die von der Decke des turnhallengroßen Hauptraums der Galerie Sprüth Magers hängen und Ungleiches ins Gleichgewicht bringen: An einem Arm Stahlfässer, Motorblöcke und Rohre, am anderen Arm geometrische Grundformen in monochromen Farben; hier die Härte amerikanischer Künstler wie Chris Burden, Bruce Nauman oder Jason Rhoades, dort das ästhetische Feinvokabular von Malewitsch, Bauhaus und europäischer Moderne. Und über allem der Mobile-Pionier Alexander Calder.

Ruby mischt das Historische mit dem Zeitgenössischen, das Politische mit dem Privaten, den Schrecken mit der Faszination für die westliche Kultur. Unverkennbar seine Begeisterung für die Perfektion der Industrieproduktion, die Eleganz von verschlungenen Metallketten, die Schönheit eines Baseballschlägers – der, andererseits, jederzeit bereit scheint, Justitia und das amerikanische Rechtsprinzip der Checks and Balances niederzuknüppeln. Ähnlich ambivalent ist eine Metallscheibe, die wie der Kopf von Mickey Maus aussieht, bei der es sich in Wahrheit jedoch um eine Zielscheibe von einem Schießübungsplatz handelt.

Sicherheit bieten andererseits aber auch die Ideale der Moderne nicht. Formen wie die bemalten, an den Suprematismus erinnernden Halbkreise und Kreise begegnen ihm auch in den Büchern, die er seinen Kindern vorliest, erzählt Ruby, wohl deshalb hat er sie einigermaßen dilettantisch per Hand zugeschnitten. Und die riesigen Bratpfannen stammen aus der Küche seiner verstorbenen Mutter. Der Künstler verarbeitet hier auch seine eigene Geschichte, den Versuch, das eigene Leben in der Balance zu halten.

Zugleich kalkuliert und wie zufällig arrangiert, undurchdringlich und transparent, schwer und leicht verweisen Rubys Mobiles auf das prekäre Gewebe unserer Gesellschaft: Ein Windzug, ein paar Schritte des Publikums können sie jederzeit in Bewegung setzen, das Gleichgewicht stören. Und damit zurück zu den Nachrichten.