Epoche Zero

Sotheby's versteigert Werke aus der Sammlung Lenz Schönberg

Das Auktionshaus Sotheby's, das vergangene Woche einen Rekordpreis für eine Giacometti-Skulptur erzielte, versteigert nun Werke der 60er-Jahre-Avantgarde aus der Sammlung Lenz Schönberg. Damit wird auch die Gruppe Zero endgültig am internationalen Markt etabliert.
 
Erst sollte es ein Bild von Pierre Soulages sein. Oder wenigstens ein Aquarell von Emil Nolde. Das eine schwarz, das andere bunt wie Bonbonpapier: Am Anfang seiner Sammlerkarriere hatte Gerhard Lenz ein Herz für alle Kunst der Avantgarde im 20. Jahrhundert.

Er ist dann umgeschwenkt und seitdem eingeschworen. Auf Yves Klein, Piero Manzoni, Gotthard Graubner, Günther Uecker und 46 andere Künstler, die sich ab den 60er-Jahren in Europa einen Namen mit abstrakten Konzepten gemacht haben. Mit kinetischen Objekten, Schwarz-Weiß-Rastern oder vom Feuer gezeichneten Blättern. Gerhard Lenz und seine Frau Anna haben daraus die weltweit größte Kollektion deutscher Zero-Künstler und Gleichgesinnter aus der ganzen Welt gemacht. Unbeirrt davon, dass ihre Werke auf dem internationalen Kunstmarkt lange unsichtbar waren: Zwischen Pop-Art und Informel fand sich kein Platz für blaue Schwämme, genagelte Leinwände oder jenen Schlitz, den Lucio Fontana 1962 in ein Kupferblech trieb und für den Sotheby’s nun mindestens 1,5 Millionen Pfund erwartet.

Knapp 600 Werke umfasst die private Kollektion Lenz Schönberg, 49 davon bietet das Auktionshaus am 10. Februar in London an. Bilder von Stars wie Yves Klein oder Lucio Fontana, dessen „Concetto spaziale, la fine di dio“ von 1963 Anfang 2008 für 10,3 Millionen Pfund versteigert wurde. Aber auch Arbeiten von Raimund Girke, Gerhard von Graevenitz oder Adolf Luther, für die sich der Markt bislang nur mäßig interessiert hat. Unter dem griffigen Titel „Epoche Zero“ sollen sie im Rahmen der „Contemporary Art“-Auktion allein zwölf Millionen Pfund einspielen.
 
Zero wirkt jung
Die Zeichen dafür stehen gut. Wo immer in jüngerer Zeit Zero-Kunst gehandelt wurde, griffen die Sammler zu. Sotheby’s hat das 2008 in New York mit der Krefelder Sammlung Lauffs schon einmal erfolgreich getestet, und aus Köln meldete das Auktionshaus Lempertz Anfang Dezember einen Preisrekord von 285000 Euro. Drei Tage lang galt die frühe, unbetitelte Nagelarbeit von Günther Uecker als dessen teuerstes Stück, dann strich Sotheby’s in Paris für den 1930 geborenen Künstler knapp das Dreifache ein. Erwähnenswert bleibt der Kölner Verkauf dennoch, weil man dort für das Feld aus Nägeln gerade einmal 100000 Euro veranschlagt hatte.

Solche Spielräume gefallen Auktionshäusern, wenn die Preise der Stars von gestern ausgereizt sind. „Der Markt ist satt“, sagt auch Lenz und meint damit die Kunst eines Damien Hirst, Jeff Koons oder Richard Prince. Zero wirkt dagegen jung: Vor allem die amerikanischen Sammler kennen viele der Künstler noch gar nicht. Ausstellungen wie im Sommer in der New Yorker Galerie Sperone Westwater rücken Zero-Kunst der 60er ebenso in den Fokus wie Daniel Birnbaums Hitparade für 2009 im „Artforum“: Er erklärte den „Lichtraum“ (1964) von Mack, Piene und Uecker, der jüngst im Düsseldorfer Museum Kunst Palast neu installiert wurde, zu einem „Schlüsselwerk“ mit Vorbildfunktion, etwa für Olafur Eliasson.

Das klingt nach einer späten Genugtuung, denn die Zero-Künstler waren Pioniere. Mit Lichtmaschinen, rotierenden Styroporklötzen und reflektierenden Spiegeln, wie sie Heinz Mack in der Wüste installierte, begrüßten sie den ungebremsten Fortschritt einer Ära, die selbst in den Weltraum reiste. „Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang ... Zero ist Zero“, hieß es 1963 im Manifest, und dieser Nullpunkt führte geradewegs in die Zukunft. Zurück ließ man die gestische Malerei, die die 50er-Jahre dominiert hatte und die Gerhard Lenz ebenfalls suspekt vorkam, nachdem er in Düsseldorf mehr zufällig in eine Ausstellung von Otto Piene geraten war. Der Optimismus, mit dem die Künstler damals die Eroberung des Universums feierten, spiegelt sich bis heute in den Werken. Auch das macht sie attraktiv für Sammler mit einer Schwäche für produktive Idealisten.
 
Schätzpreise zu tief angesetzt
Sotheby’s sieht es weitaus pragmatischer. Es gibt einiges zu entdecken, und das zu Preisen, die sich gerade erst manifestieren. Nicht für den Feuer- und Körperabdruck „FEU 88“ von Yves Klein, der zu den Attraktionen der Auktion zählt und auf 3,5 bis 4,5 Millionen Pfund taxiert ist. Wohl aber für jene Eierschalen, wie sie Luther für eine frühe Arbeit verwendet hat. Hier muss sich Sotheby’s vortasten, weil die Werke zum ersten Mal überhaupt wieder auf dem Markt sind, seit sie das Sammlerpaar erworben hat.

Schon jetzt glaubt Cheyenne Westphal, Sotheby’s Expertin für zeitgenössische Kunst aus Europa, dass sie manches „viel zu tief“ angesetzt haben. Seit den Rekordpreisen für Ueckers Nagelbilder und der Ankündigung verkäuflicher „Lenz-Arbeiten“ häufen sich die Anfragen. „Die Sammlung ist bekannt, war in zahlreichen Museen ausgestellt und ist extrem gut dokumentiert“, meint Westphal. Entsprechend groß die Neugier auf das, was Anna und Gerhard Lenz nun herausgeben.

Lenz spricht von einer „schwierigen seelischen Gemengelage“, die man ihm bei all der Obsession und Sorgfalt seiner Sammlung gegenüber sofort abnimmt. „Aber ich bin inzwischen 80, und es wird Zeit, ein paar Dinge zu regeln.“ So entlässt Lenz nun jene Werke in die Welt, für die sich Sotheby’s nach langen Gesprächen auf seinem Tiroler Anwesen entschieden hat. Als Strategen nutzen sie die neue Aufmerksamkeit, um Zero nach langen Jahren stiller Kennerschaft am internationalen Markt zu etablieren. Man kann ziemlich sicher sein, dass ihnen dies gelingen wird.
 
Sotheby’s London, 10. Februar. Informationen unter www.sothebys.com