Gruppenschau im Whitney Museum

In New York wird die Protestkunst abgestaubt

Die Ausstellung "An Incomplete History of Protest" im Whitney Museum will die Protestkunst in Amerika auf ihre Anwendbarkeit für die politische Gegenwart überprüfen

Das Schlagwort des ersten Raumes lautet "Usable Past": Drei Werke stammen aus den vergangenen 15 Jahren, sie gehen alle vor die Ära Trump zurück. Da ist ein Super-8-Film eines Protestmarsches auf Washington im Jahr 2005 von Josephine Meckseper, es gibt einen verfremdeten Auszug aus der Verfassung der USA von Mark Bradford aus dem Jahr 2013. Und schließlich zeigt Julie Mehretu architektonische Zeichnungen aus Damaskus, die mit zerstörerischen schwarzen Kringeln übermalt sind.

In allen drei Fällen wird Historisches mit der Gegenwart abgeglichen – entweder formal oder inhaltlich –, um Unterschiede zu unterstreichen und Überschneidungen hervorzuheben. Die Schau will untersuchen, wie Formen der politischen Protestkunst auf unseren heutigen Moment übertragbar sind.

Die Fragestellung ist spannend: Schließlich ist der Protest gegen Trump ebenso wie die "Black Lives Matter"-Bewegung von einer Freude an Ausdrucksformen geprägt wie kaum eine Protestbewegung zuvor. Vom Pussyhat bis zum in den Mode-Mainstream eingesickerten Protest-T-Shirt, von einer Flut an Trump-Memes im Netz bis hin zu Reaktionen in der Kunstszene durch Künstler wie Pope.L, Betty Tompkins oder das New Yorker Kollektiv For Freedoms geht vom historischen Moment eine kreative Energie aus wie selten zuvor.

Von dieser Schaffensfülle ist am Whitney, das seit seiner Neueröffnung in Chelsea eigentlich gelobt hat, wieder stärker mit der Gegenwart Kontakt aufzunehmen, allerdings nur wenig zu sehen. Aus der Trump-Ära wird nur ein einziges Exponat gezeigt: die "New No's", ein Gedicht in Plakatform zur Wahl Trumps von Badlands Unlimited, der publizistischen Plattform des Künstlers Paul Chan.

Die Ausstellung speist sich komplett aus der Sammlung des Whitney und will sich, so das Konzept, auf Fallstudien beschränken: von Protestplakaten gegen den Vietnamkrieg und künstlerischen Reaktionen auf die Aids-Krise der 80er-Jahre bis hin zu einem Kommentar zur Polizeigewalt von Carl Pope.

Das alles ist interessant, aber nützt es für die Gegenwart? Offenbar hat man beim Whitney nach dem Streit um das antirassistische Bild der weißen Künstlerin Dana Schutz während der Biennale ein wenig zu viel Angst davor, erneut anzuecken.