Wiels

Oh, süße Paranoia: Luc Tuymans verfolgt in Brüssel unsere Träume

Schon das Plakat ist ein Albtraum. Der Betrachter wähnt sich im Innern eines Betonbunkers, im freien Fall einem schwarzen Nichts entgegen. Dass der Boden der weiß gekalkten Säle der ehemaligen Bierfabrik schwarz ist, macht die Sache nicht leichter. Und auch der Titel „Against the Day“ lässt sich als Verheißung der schaurigen Art lesen, schließlich ist er einem Buch des großen Paranoikers Thomas Pynchon entnommen.


Der Belgier Luc Tuymans ist berühmt für seine malerisch berückenden Chiffren von Bedrohlichkeit. Hinter vermeintlich unschuldigen Motiven lauert bei ihm ständig die kollektive Katastrophe. Für Wiels, das Brüsseler Zentrum für zeitgenössische Kunst, hat er jetzt eine neue Serie von 20 in gewohnter Manier ausgebleichten Schattengemälden angefertigt. Trauen darf man diesen „authentischen Fälschungen“ weiterhin nicht. Ein Mann macht sich mit einer Schaufel am Erdreich zu schaffen. Hinter ihm thronen die Mauern eines Hochsicherheitstrakts. Oder versinkt er gerade im sumpfigen Grund?


Skandalträchtige Ausflüge in die Vergangenheit sind rar, auch wenn die Vorlagen diesmal von alten Kriegsfilmen oder Archivbildern stammen. Die frei flottierende Angst der Gegenwart hat längst die Oberhand gewonnen. Da trägt ein in der Mitte wie von einem Kamerablitz geblendetes, seiner Identität beraubtes Männerporträt den sarkastischen Titel „Iphone“, und eine im Kreis angeordnete Armada mit Laken verhüllter Krankenhausbetten gerät zum Kabinett von „Big Brother“.


Tuymans verwendet oft extreme Ausschnitte – so porträtierte er einmal einen KZ-Aufseher, indem er dessen fetten Nacken zeigte. Diesmal fokussiert er mit der gleichen Technik Phänomene des Trash-TVs: Wenn nicht die „Tits“ einer Call-in-Moderatorin den Betrachter anspringen, wirft eine Überwachungskamera in „CCTV“ indiskrete Blicke in eine Damentoilette. Kein Wunder, dass gegenüber ein banaler Sonnenuntergang die Leuchtkraft der atomaren Apokalypse in sich trägt. Unser Leben ist ein Horrortrip, scheinen diese als Trompe-L’Œils getarnten Phantomschmerzen der medialen Gleichschaltung zu sagen, und wir sind nur die überwältigten Kandidaten.

 

Alexandra Wach
 

Wiels, Brüssel, bis 2. August