Ausstellung mit Installationen in Berlin

Nicht nur gucken

Im Hamburger Bahnhof Berlin lädt "moving is in every direction" den Besucher zur Raumerfahrung

Kunstwerke, die nicht explizit in einen Ausstellungskontext gebettet sind, werden als solche ja gerne mal übersehen. Die 2009 von Robert Kusmirowski als S- und U-Bahnhof gestaltete Passage zwischen der historischen Museumshalle und den Rieckhallen des Hamburger Bahnhofs in Berlin führt dem Kunstpublikum seine Unaufmerksamkeit gekonnt vor: Warum auch sollte man diesen "Übergang" mit seinen türkisen Kacheln, Werbeflächen und Beschmierungen als Kunstwerk und nicht als tatsächliche Haltestelle identifizieren? Schließlich war der Hamburger Bahnhof doch wirklich mal ein Bahnhof! Zum Glück klärt das Museum den verwirrten Kunstbetrachter jetzt auf, indem es die permanente Installation Teil einer Ausstellung werden lässt.

Auf 3500 Quadratmetern widmet sich "moving is in every direction" der noch recht jungen Geschichte der Installationskunst und rückt damit nicht die Kunstwerke selbst, sondern­ deren Präsentationsweise in den Fokus. Als Allan Kaprow Ende der 50er-Jahre mit seinen "Environments" erstmals aus dem symbolischen Raum des Bildes ausbrach, schuf er ein erstes Zeugnis dieser Tendenz zur Umgebungsgestaltung. Was genau die Raumkunst als Gattung auszeichnet, wird bis heute diskutiert. Fest steht: Die Räume wollen begangen werden, und das funktioniert in der großflächigen Schau sehr gut. Den Platz der 330 Meter langen Rieckhallen und des unteren Westflügels braucht es, denn der Besucher soll den Arbeiten nicht einfach nur gegenübertreten, sondern aktiv Teil einer Situation werden.

Zu erfahren sind Installationen wie Bernhard Leitners "Ton-Röhre" (1973/2008), die das Verhältnis von Klang, Architektur und Bewegung im Raum untersucht, oder Marcel Broodthaers' "Un Jardin d'hiver" (1974), dessen domestizierte Pflanzenwelt die bürgerliche Sehnsucht nach exotischen Ländern anprangert. Die Frage, welche Verbindungen es zwischen Gesellschaft und Raum gibt, findet sich auch bei der 27 Jahre jungen US-Künstlerin Bunny Rogers wieder, die mit einer eindrücklichen Videoinstallation den 1999 stattgefundenen Amoklauf von zwei Schülern an der Columbine High School in Colorado thematisiert.

Besonders deutlich erfährt der Besucher die Wechselwirkung zwischen dem eigenen Körper und seiner Umgebung in Isa Genzkens und Wolfgang Tillmans' Gemeinschaftsarbeit "Science Fiction/hier und jetzt zufrieden sein" (2001). In Tillmans' überdimensionaler Fotoarbeit "Wake" sind die Überbleibsel einer Party zu sehen. Die Spiegelflächen Isa Genzkens verstärken nicht nur das Vanitas-Motiv in Tillmans' Fotografie, sondern konfrontieren gleichzeitig den Betrachter mit seiner eigenen Vergänglichkeit. Und wenn Kunst die selbstreflexive Wahrnehmung steigert, ist sie ja meist besonders wirkungsvoll.