Liste 16, Basel

Kurz mal Atemstillstand

Vor 16 Jahren wurde die Liste gegründet, heute ist sie als willkommenes Alternativprogramm zur Art Basel ein Muss. Zwar verfügt die Übermutter mit dem Sektor Art Statements über eine Plattform für junge Kunst, aber die "Young Art Fair" bietet das erfrischend waghalsigere Ambiente. Moderate Preise und eine zuverlässig steigende Qualität tun das ihre, um Kunstbetriebprominenz vom Schlage eines Hans-Ulrich Obrist, Axel Vervoordt oder Michael Ringier in das verwinkelte Labyrinth der Brauerei Warteck am Burgweg 15 zu locken.

Das stärkste Kontingent unter den 64 Galerien kommt auch diesmal aus Deutschland, acht der elf deutschen Galerien stammen aus Berlin. Die KOW Galerie trumpft gleich am Eingang mit nicht ganz taufrischen Fotografien von Tobias Zielony auf. Die Serie „Trona“ über verwahrloste Teenager am Rande von L.A. ist zwar drei Jahre alt, aber immer noch ihre erschwinglichen 6.000 Euro wert. Plan B bringen neben Istvan Laszlo und Gabriela Vanga ein furchteinflößendes Selbstporträt des rumänischen Malers Adrian Ghenie mit. Das morbide Prachtstück „Self Portrait as Monkey 2“ (2011) stieg trotz eines für die Liste beachtlichen Preises von 35.000 Euro partout zum Renner auf: Die Galerie konnte gleich zwischen mehreren Interessenten wählen. Für rege Nachfrage sorgte auch Katinka Bock mit ihren filigranen Tonskulpturen bei der Pariser Galerie Jocelyn Wolff. Im Herbst nimmt die in der französischen Kapitale lebende Deutsche an der Lyon Biennale teil. Sämtliche ihrer zwischen 9.000 und 22.000 Euro taxierten Arbeiten waren bereits in der ersten Stunde der Preview ausverkauft.

Als ein auf Anhieb überzeugender Neuling auf der Messe erwies sich die Galerie Exile. Die Performance des Künstlerkollektivs FORT, bestehend aus Anna, Jenny und Alberta, verwandelt eines der vielen kabinettartigen Werkräume in eine schwarz abgedunkelte Bühne, auf der die Besucher die Hauptrolle übernehmen. Weitere Akteure des Stücks „The Eye Balled Walls“ sind ein Spieltisch, Billardbälle mit menschlichen Pupillen und unvermittelt in Bewegung gesetzte Schuhe hinter einem Vorhang. Fehlt eigentlich nur noch die Begegnung zwischen einer Nähmaschine und einem Regenschirm.

Auch wenn im Segment der Zeitgenossen unter 40 - so die selbstverordnete Politik des Auswahlkomitees - an Berlin kein Weg vorbei führt, lohnt der Blick in die Randzonen. Im Angebot finden sich Junggaleristen aus Rumänien, Griechenland oder Schweden. Polen rückt längst vehement mit erstaunlichen Neuzugängen in die Mitte vor, was auch die Galeria Stereo aus Posen mit einem abwechslungsreichen Programm bezeugt. Vor allem Iza Tarasewiczs Skulpturen fallen durch Materialsicherheit und eine somnambule Entrücktheit auf. Dazu passt, dass Stammgast Christian Boros bei der Galerie Karma International für temporären Atemnotstand sorgte. Am Stand der Züricher herrschte höchste Konzentration, als sich der Top-Sammler mit seiner Frau Karen Lohmann auf eilig zurecht gerückten Klappstühlen bequem machte. Das gut informierte Doppelgestirn zeigte sich interessiert an den Arbeiten von Agnieszka Brzeżańska. 2010 war die Polin in der Berliner DAAD-Galerie mit einer psychedelischen Youtube-Videokompilation zu sehen. Für die Liste hat sie sich von ihren neuesten esoterisch angehauchten Gemälden getrennt.

Der Besucher kommt nicht umhin, der 2005 gegründeten Plattform China angesichts der Inhaftierung von Ai Weiwei mit Skepsis zu begegnen. Explizit politisch gibt sich zwar keiner der vier präsentierten Künstler, aber auch nicht auf der Linie der von staatlichen Kulturgremien verordneten Aufstiegsästhetik. Der 1983 geborene Zhou Yilun versucht sich immerhin in sanfter Rebellion. Er arbeitet mit Vorliebe mit Schriftzügen. Auf einer von der Decke hängenden traditionellen Papierrolle hat er mit Spraydose den Slogan „Put down your weapons“ platziert. Die Kollision des alten China mit dem heutigen Unrechtstaat ist mit 5.600 Euro beziffert.

Liste, The Young Art Fair, in Basel, bis 19. Juni