In Kiev gelingt mit kugelrunder Präzission eine Ausstellung zum Thema Unendlichkeit

Manchmal muss man weit reisen, um eine grandiose Ausstellung zu sehen. „Endless Sphere“, heißt die Schau im Center for Contemporary Art in Kiew, in der es Thomas Trummer, Kurator des Siemens Arts Program, mit wenigen präzisen Kunstwerken gelungen ist, die Unendlichkeit von Raum und Zeit in einem Mikrokosmos zu verdichten. Sphäre heißt eigentlich Kugel – mathematisch gesehen die einzige randlose Form und daher Modell für das Universum, das mit seiner Grenzenlosigkeit auch erschrecken kann: „Endless Sphere“ klingt wie „Endless Fear“.


Dagegen bilden die Kuppeln des Klosters, in dem die Ausstellung stattfindet, einen Schutzraum. Sie wiederholen sich in dem kugeligen „Endless House“ von Friedrich Kiesler (1890–1965), mit dessen Fotografien Trummer in die Arbeiten fünf jüngerer Künstler einführt: Cerith Wyn Evans’ Kugellampen hängen wie Monde in einem dunklen Raum, daneben liegt ein Buch auf einem Sockel: „Harmonia Mundi“ (1619) von Johannes Kepler, der das Verhalten der Planeten aus einer „Musik der Sphären“ ableitete. Wie eine stellare Melodie leuchten die Lampen sanft auf und ab: Poesie, Glaube und Wissenschaft verdichten sich zu Kunst.
Ähnlich mystisch aufgeladen ist auch Alicja Kwades Installation: Das Ticken zweier verspiegelter Bahnhofsuhren wird per Verstärker in den Raum übertragen – mit jedem Herzschlag verrinnt die Zeit. Am Boden stehen Spiegel zwischen den Metallschirmen alter Schreibtischlampen. Spiegel, Uhren, Licht – Vanitassymbole, mit denen Kwade ihre reduzierte Ästhetik anreichert. Für den minimalistischen Schwarz-Weiß-Film „Sections of a Happy Moment“ hat David Claerbout aus diversen Perspektiven eine Familie beim Ballspiel fotografiert – der Ball steht wie ein Gestirn in der Luft. Die Kamera fährt die Bilder so ruhig ab, als würde sie durch das All schweben. Teresa Margolles’ Beitrag ist ungleich düsterer: Aus einem Kanister an der Wand tropft menschliches Fett – ein geisterhaftes Gefühl breitet sich aus.


Nur Alevtina Kakhidze reicht an solche Qualität nicht heran: Sie will mit ihren Bleistiftkritzeleien die Erdoberfläche als Netz abgegrenzter Territorien zeigen, aus der Sicht von Privatflugzeugbesitzern. Diese politische Pose kann mit der Poesie der anderen Werke, die wie zarter Nebel in den Räumen schwebt, nicht mithalten.