Interview mit Gemeentemuseum-Direktor Tempel

"Man geht doch nicht gegen Künstler vor Gericht!"

Foto: Gemeentemuseum Den Haag
Foto: Gemeentemuseum Den Haag

Benno Tempel

Der Rechtsstreit zwischen dem Privatsammler Bert Kreuk und den Künstler Danh Vo hat am Ruf des Haager Gemeentemuseums gekratzt. Dessen Direktor Benno Tempel äußert sich im Interview umfassend zu den Vorwürfen gegen sein Haus

Herr Tempel, der Vincent Award ist abgesagt, eine weitere Folge des Rechtsstreits zwischen dem Sammler Bert Kreuk und dem Künstler Danh Vo. Bereuen Sie die Zusammenarbeit?
Nicht die Zusammenarbeit, sondern der Gerichtsprozess war das Problem. Museen arbeiten immer mit Sammlern zusammen ...

Aber in diesem Fall ist viel schiefgegangen.
Was schiefgegangen ist, hat nicht so viel mit dem Museum zu tun. Es gab einen Streit zwischen einem Künstler und einem Sammler. Statt den Streit außergerichtlich zu lösen, sind sie vor Gericht gegangen. So etwas passiert in der Kunstwelt nicht oft. Das ist sicher auch für den Künstler traumatisch.

Liegt es an den besonderen Charakteren von Bert Kreuk und Danh Vo, dass es zum Rechtsstreit kam?
Ich bin nicht sicher, ich habe keinen Einblick in die Kommunikation zwischen Künstler und Sammler. Aber natürlich geht man nur vor Gericht, wenn man überzeugt ist, dass man Recht hat und keinen Kompromiss finden will.

Haben Sie versucht, eine außergerichtliche Lösung herbeizuführen?
Wir haben auf Bert Kreuk eingeredet. Man geht doch nicht gegen einen Künstler vor Gericht! Da kann man moralisch nur verlieren. Wie haben ihn dann auch gewarnt: Jedes Mal, wenn du später etwas in der Kunstwelt machst, kommt man darauf zurück. Auch noch in 20 Jahren.

Der Ruf ist ruiniert.
Vor allem hat er die ganze Sache immer noch nicht hinter sich gelassen. Nach der Einigung im Gericht könnte man sagen: Okay, jetzt sind wir damit durch. Aber bei ihm ist das offenbar noch nicht möglich. Es spielt immer noch in seinem Leben mit hinein. Und ich denke, der Künstler hat auch noch nicht seinen Frieden damit gemacht.

Die Künstlerin Nairy Baghramian hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie und ein Kurator aus Ihrem Museum als Zeugen vor Gericht aufgetreten sind. Können Sie diesen Vorwurf nachvollziehen?
Eigentlich nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat, da gibt es Rechtsstreits, also kann jeder als Zeuge berufen werden und muss unter Eid aussagen. Wir wurden vom Richter und beiden Parteien befragt und wir haben ausgesagt.

Hätten Sie nicht auch komplett ablehnen können, vor Gericht auszusagen?
Nein, wenn man in den Niederlanden als Zeuge vor Gericht geladen wird, kann man nicht ablehnen. Wichtig ist auch zu wissen, dass weder der Künstler noch dessen Galeristin im Gerichtssaal waren, als wir dort aussagten. Nur deren Anwalt hat uns Fragen gestellt. Wir waren dabei, als Künstler und Sammler sich in unserem Museum getroffen haben, deshalb haben uns beide Parteien Fragen gestellt. Wer uns vorwirft, dass wir vor Gericht ausgesagt haben, impliziert, dass wir unter Eid gelogen haben und bestraft werden können. Und er impliziert, dass das niederländische Gericht einen Fehler gemacht hat, weil es eine Falschaussage akzeptiert hat. Das ist doch sehr befremdlich. Und da weder Nairy Baghramian noch Danh Vo noch die Galeristin im Gericht war, als wir unsere Aussage gemacht haben, können sie nicht wissen, was genau wir ausgesagt haben. Deshalb kann ich diesen Vorwurf nicht verstehen.

Es ist nicht der einzige Vorwurf, den die Zusammenarbeit mit Kreuk dem Museum eingebracht hat. Es wird berichtet, dass der Sammler lange vor dem Rechtsstreit mit Danh Vo Ihr Museum benutzt habe, um Vertrauen bei Galeristen zu gewinnen.
Bert Kreuk hat schon vor 30 Jahren mit dem Sammeln angefangen. Wir haben ihn kennengelernt, weil Händler uns sagen, dass er ein großer Sammler sei. Und er arbeitet auch mit anderen Museen zusammen, dem Museum Boijmans Van Beuningen, dem LACMA, mit der Tate. Viele Leute kannten ihn. Und was auch wichtig ist: Wir haben ihm nie gesagt, was er kaufen sollte.

Es heißt aber, Sie seien gemeinsam über die Art Basel gelaufen …
Ich habe ihn in Basel getroffen, so wie viele Künstler, Kollegen, Kritiker. Man trifft einander. Das ist das Schöne an einer solchen Messe.

Es gibt einen Fall von 2011, in dem Bert Kreuk auf der Art Basel einer Galerie vorgeschlagen hat, zwei Kunstwerke eines Künstlers zu kaufen, dessen Werke gerade im Preis stiegen. Der Künstler und die Galerie haben, offenbar um Spekulationen zu verhindern, nicht an jeden verkauft. Also hat Kreuk versprochen, dass er eines der beiden zu erwerbenden Werke als Schenkung in Ihr Museum gibt und das andere dann für sich behält. Kurz bevor der Deal zustande kam, machte die Galerie einen Rückzieher. Angeblich, weil Sie und Kreuk die Erklärung nicht unterschrieben haben, dass ein Werk ans Museum geht.
Aber wir haben unterschrieben! Wahrscheinlich hat die Galerie einfach inzwischen ein besseres Angebot erhalten. Sie haben an Bert Kreuk eine E-Mail geschrieben, in der sie erklärten, dass sie mir nicht trauen, da ich angeblich nicht enthusiastisch genug bin. Und mir haben sie in einer E-Mail mitgeteilt, dass sie dem Sammler nicht trauen. Wir hatten Verabredungen mit der Galeristin im Museum, die sie zweimal abgesagt hat. Ich bin mir nicht sicher, was da passiert ist.

Insgesamt ein seltsamer Vorgang, oder?
Wichtig ist aber zu verstehen, dass solche Deals nicht ungewöhnlich in der Kunstwelt sind. Das ist nicht etwas, das Bert Kreuk sich ausgedacht hat. Das machen viele Museen und Sammler. Wie kommt man auf hohe Positionen auf Wartelisten? Warum bekommen manche Sammler und Museen leichter Kunstwerke als andere. Das hat nicht viel mit Kreuk zu tun, sondern mit einem sehr komplexen Kunsthandel. Wir haben das mit Kreuk nur einmal gemacht, und dieser Deal ist geplatzt.

Hat es Ihnen nicht zu denken gegeben, dass die Galerie dem Sammler offenbar nicht getraut hat?
Nein, ich habe gedacht, diese Galerie ist nicht ehrlich. Wahrscheinlich wollte sie die Werke zu einem besseren Preis verkaufen.

Das Muster ist ähnlich, wie später bei dem Konflikt zwischen Kreuk und Vo: Angeblich wird etwas verabredet und dann macht jemand einen Rückzieher.
Nein, das kann man nicht vergleichen. 2011 hatten wir die Vereinbarung schon schriftlich fixiert. Bei Danh Vo war es so, dass wir uns mit ihm die Museumsräume angeschaut haben. Alles Weitere hat er mit Bert Kreuk verabredet. Da war ich nicht dabei.

Sprechen wir über einen dritten Vorwurf an das Gemeentemuseum, auch er hängt wieder mit Bert Kreuk zusammen. Der Sammler hat nach seiner Ausstellung 2013 in Ihrem Haus viele der Werke auf die Auktion gegeben. Hat das öffentliche Museum diesen Werken eine Wertsteigerung beschert und so dem privaten Interesse eines Sammlers gedient?
Ich finde es schade, dass es dieser Verkauf stattfand, aber ich weiß nicht, was ich dagegen hätte unternehmen können. Das war nicht die Intention der Ausstellung! Es war eine Ausstellung mit internationalen jungen Künstlern, die in den Niederlanden nicht häufig zu sehen sind, aber die in der Gegenwartskunst gerade wichtig waren. Diese Generation wollten wir vorstellen und haben dafür viel Lob bekommen.

Aber hätten Sie diese Ausstellung nicht auch ganz mit eigenen Kräften stemmen können, gemeinsam mit mehreren Leihgebern und Galeristen?
Das wäre so teuer geworden. Unmöglich für das Museum, das zu organisieren! Solche Ausstellungen sind keine Publikumsrenner, wir reden hier nicht über Matisse. So eine Schau macht man als Museum, weil man findet, dass sie wichtig ist für das Publikum und die Künstler. Auf der ganzen Welt arbeiten Museen und Sammler zusammen. Nur dass Bert Kreuk so viel verkauft hat, ist wirklich bedauerlich. Ich weiß nicht, warum er das getan hat.

"Artnet" nannte ihn einen "Art Flipper", also jemanden, der gerne spekuliert.
Dafür hat er die Kunstwerke aber viel zu schnell abgestoßen. Es ging ihm wohl nicht ums Geld, davon hat er genug. Er hat auch nicht aufgehört mit den Kunstkäufen. Aber es ist vielleicht damals etwas vorgefallen mit einem Kunsthändler. Er war von etwas genervt. Er hat uns auch nicht gefragt, ob er die Arbeiten verkaufen kann. Wissen Sie, ich finde es nicht problematisch, etwas zu verkaufen, aber gleich so viele Arbeiten nach der Ausstellung? Für unser Bild nach außen war das nicht gut.

Würden Sie noch einmal einem Sammler Carte blanche für eine Ausstellung geben?
Es war keine Carte blanche. Wir haben die Ausstellung mit ihm zusammen gemacht. Und ich werde so etwas wieder machen. Die Kunstwelt ist nicht eindimensional. Es gibt Museen, Sammler, Kritiker, Händler, und sie alle sind voneinander abhängig. Man kann sagen: Das Museum soll nur noch mit Künstler zusammenarbeiten, die nichts mit Sammlern oder kommerziellen Galerien zu tun haben. Aber dann wird das ist ein sehr enger Begriff von Museumsarbeit.

Was haben Sie also gelernt aus der Zusammenarbeit mit Bert Kreuk?
Sehr viel. Man muss vielleicht mehr schriftlich verabreden, mehr Verträge aufsetzen. Das passiert in der Kunstwelt viel zu wenig, gerade in der Arbeit mit Künstlern. Aber im Grunde ist es kein Problem, dass Museen und Künstler zusammenarbeiten. Die niederländischen Museen tun das viel weniger eng als die deutschen oder amerikanischen Museen, die Sammler bekommen bei uns viel weniger Privilegien. Wir laufen nicht mit ihnen über die Tefaf oder Basel. Es ist wichtig, dass man in diesem Fall die Perspektive behält. Und natürlich darf darüber diskutiert werden. Das ist wichtig für die Kunstwelt.

Wo sehen Sie denn die Grenze bei der Zusammenarbeit zwischen Sammler und Museum?
Ich würde zum Beispiel nicht noch einmal mit einem Sammler und einer Galerie so einen Deal machen wie 2011. Aber sehr viele öffentliche Museen tun so etwas, besonders in Amerika. Ich akzepziere nicht, dass ein Sammler zu einer Galerie sagt, dass er etwas für das Gemeentemuseum kauft. Wie leihen Werke von Sammlern, das machen wir!

Bert Kreuk hat jetzt viele Leihgaben aus Ihrem Museum abgezogen, angeblich, um die Institiution nicht weiter zu beschädigen. Begrüßen Sie das?
Er wollte zwei Leihgaben abziehen. Eine wollte er für sein Haus, das andere in ein anderes Museum als Leihgabe geben. Es gab also Bewegung, und wir haben uns zusammengesetzt und entschieden,dass er alle Leihgaben abzieht. So etwas passiert. Im Gemeentemuseum haben wir Dauerleihgaben von bestimmt einhundert Sammlern, manche schon seit 50 Jahren. Und jedes Jahr gibt es neue Leihgaben und werden welche abgezogen. Das ist sehr dynamisch.

Ist es möglich, dass Sie noch einmal mit Kreuk zusammenarbeiten?
Ja, um Leihgaben für eine Ausstellung zu bekommen. Er arbeitet doch auch mit vielen anderen Museen zusammen. Und er sammelt noch immer und es gibt noch immer Händler, die Sachen an ihn verkaufen.

Und er will demnächst ein Enthüllungsbuch herausbringen mit "schockierenden Details" über den Kunstbetrieb …
Das finde ich schade. Es gibt eine Einigung in seinem Streit mit Danh Vo, warum kann man es nicht endlich auf sich beruhen lassen?