Folterverdacht: Galerist auf der Fiac verhaftet

Wegen der Ausstellung anzüglicher Fotografien verhaftet zu werden – so etwas, würde man vermuten, kann einem eher in Peking als in Paris passieren. Sergueï Khripoun von der Moskauer XL Gallery aber hat es mitten auf der Kunstmesse Fiac erwischt. Er hatte an seinem Stand Fotos einer Performance von Oleg Kulik gezeigt, die den nackten Künstler in brutalen, gewalttätigen oder sehr schmerzhaften Posen mit Hundehalsband zeigen.


Als am Eröffnungstag Zollbeamte zum Abgleich ihrer Werkliste den Stand besuchten, empörten sie sich über die Fotos. „Wir kommen wieder“, kündigten sie an, und am nächsten Tag wurde der Galerist aufgefordert, Warnschilder anzubringen. Doch damit nicht genug. „Am dritten Tag tauchte die Gendarmerie auf und erklärte, die 30 Arbeiten müssten abgehängt werden“, erzählt Khripoun. Doch auch das reichte nicht. Zusammen mit seiner Galeriedirektorin wurde er verhaftet. „Man hielt uns in einer Zelle fest und verhörte uns, ob wir uns über die Inhalte der Bilder im Klaren seien. Die Beamten hielten sie für Folteraufnahmen.“ Die Festnahme begründeten sie mit einem Gesetz, das untersagt, Bilder von Menschenrechtsverletzungen auszustellen. „Wir hatten davon keine Ahnung. Niemand hat uns offiziell gewarnt“, sagt Khripoun heute. Der Direktor der Fiac, Martin Bethenod, setzte alle politischen Hebel in Bewegung, um die beiden noch am selben Tag freizubekommen. Nach fünf Stunden hatte er den richterlichen Beschluss.
Was weder Beamte noch Richter wussten: Der französische Staat hat bereits vor einiger Zeit Bilder aus Kuliks umstrittener Serie angekauft. Aus derselben Serie zeigte auch die Wiener Galerie Krinziger auf der Fiac einige Arbeiten, nur wenige Standreihen von der XL Gallery entfernt. Zurück in Moskau, wartet Khripoun bis heute nicht nur auf Kuliks Fotos, sondern auf alle Werke seines Stands. Die wurden nämlich vor dem Transport von Paris nach Mos­kau beschlagnahmt.