Fifa

 

Nasskalt ist der Frühling in Montreal, am besten kehrt man in einem Museum ein. Oder im Kino, was zum Festival international du film sur l’art auf dasselbe hinausläuft. Die Museen der kanadischen Metropole sind schließlich zentrale Spielstätten des Fifa.
Ballspiele? Das Kürzel täuscht, hier trifft seit 1981 Ende März die Oberliga jener Dokumentarfilmer zusammen, die sich der bildenden Kunst, Musik oder Literatur verschrieben haben. Über 270 Filme aus 35 Ländern flimmerten über die Leinwände, zehn Preisträger hat die Jury diesmal aufs Siegerpodest geschickt. Ganz oben auf der Gewinnerliste rangiert Osteuropa. Der Pole Maciej Pisarek feiert in seinem Künstlerporträt „Solo“ (Großer Preis) Werk und Person des Avantgardekomponisten Boguslaw Schaeffer. Höhepunkt des Films ist ein furioses Schnittmontage-Ballett, das Krakauer Straßenbahnen zu Schaeffers Musik aufführen.
Mit „Boris Rhyzhy“ (Jurypreis) macht sich die Niederländerin Aliona van der Horst auf die Spurensuche nach dem 1974 geborenen russischen Dichter Rhyzhy, der sich 2001 das Leben nahm. Beißende Kälte kriecht aus dem Film über eine Generation, die aus dem Kommunismus geschleudert wurde, ohne im Kapitalismus zu landen.
Die Bildkunstmannschaft schwächelte. Allein der Fernsehfilm über ein Skulpturenprojekt eines englischen Bildhauers – „Anthony Caro, la sculpture comme religion“ – konnte sich einen Preis sichern. Allerdings trifft auch hier zu, was Nadine Covert, Medienexpertin der New Yorker Columbia University, beklagt: „Die Tendenz zum journalistischen Stil nimmt bei Filmen über Kunst zu.“ Ebenso gut hätte auch Tessa Boermans profund recherchierte Dokumentation „Painted Black“ über dunkelhäutige Figuren in niederländischer Malerei ausgezeichnet werden können.
Im „Obama-Jahr“ bildeten solche Filme einen Festivalschwerpunkt. Ein verdienter „Award for Creativity“ ging an „Nora“, eine getanzte Biografie der Choreografin Nora Chipaumire, die aus Simbabwe stammt. Ebenfalls ausgezeichnet wurde ein Film über die afroamerikanische Anthropologin und Schriftstellerin Zora Neale Hurston (1891–1960), „Jump At The Sun“. Die unabhängige Produzentin Kristy Andersen hat 18 Jahre um Fernsehgelder für ihr mitreißendes Porträt gerungen.
Das nicht gerade populäre Kunstfilmgenre gerät oft zum „Battle Of Wills“ für die Macher. So nannte Anne Henderson übrigens ihren Film, der um ein Bildnis aus dem 17. Jahrhundert kreist. Das Gemälde soll das einzige authentische Porträt von William Shakespeare sein. Das jedenfalls versucht ein kanadischer Pensionär unermüdlich zu beweisen.
Ebenso erntete der Berliner Filmemacher Andreas Schultz viel Applaus (und keinen Preis). In treffend melancholischem Duktus behandelt „Colville“ den berühmtesten lebenden Maler Kanadas, den 88-jährigen Realisten Alex Colville.
Doch: Müssen (bildende) Künstler eigentlich immer alt und berühmt, lange tot oder mindestens jung gestorben sein, um als filmwürdig zu gelten? Schade, dass der Quotendruck so wenige junge Künstler auf die Leinwand lässt. Mehr davon im nächs­ten Fifa-Jahr?