Digitale Folklore in Dortmund

Wiedersehen mit Peeman

Der Dortmunder Hartware MedienKunstVerein zieht die "Digitale Folklore" aus dem Papierkorb

Täglich verschwinden ganze Welten, die einst von zahllosen Lebewesen bewohnt waren, mit vielfältiger Fauna und hoppelnden Häschen auf grünen Wesen – ach nein, eher Kätzchen, denn es geht um das World Wide Web.

Geo­Cities zum Beispiel: So hieß die erste öffentliche Plattform für private Websites, 1994 gegründet und kostenlos. Millionen User bastelten dort an ihren Internetauftritten, bis der Netzkonzern Yahoo, der den Online-Dienst 1999 übernommen hatte, 2009 den Saft abdrehte. GeoCities ging unter – aber nicht ganz. Kurz vor der Abschaltung sicherten die Medienkünstler Olia Lialina und Dragan Espenschied die Überbleibsel von 381 934 Geo­Cities-Homepages in dem Archiv "One Tera­byte of Kilobyte Age".

Dieses Material wird nun zum Ausgangspunkt der Ausstellung "Digitale Folklore", die Lialina, Professorin an der Merz Akademie in Stuttgart, gemeinsam mit Espenschied und Studierenden ihrer Klasse im Hartware MedienKunstVerein Dortmund organisiert hat. Die Besucher erwartet ein Wiedersehen mit beliebten Gif-Animationen wie dem kleinen Flugzeug, das ein freundliches "Welcome" über die Seiten schreibt, oder dem Peeman, der für gewöhnlich auf eine andere Grafik pinkelt – eingesetzt von allen, die sich gern symbolisch auf dem Kopf von Britney Spears erleichterten.

Auch die abwechslungsreichen Hintergrundgestaltungen der Netz­pioniere macht Lialina zum Gegenstand einer ihrer Videoinstallationen: Wasserreflexe auf königsblauem Grund, glitzernde Sternenhimmel oder in dekorative Falten gelegte Seide in edlem Anthrazit. Vielversprechend scheint außerdem das Projekt "Backstreet Boys Heaven", das das Beste aus 83 Fanseiten versammelt, die sich auf GeoCities fanden. Ein sogenannter Fanseiten-Generator erstellt bei jedem Aufruf aus dem verfügbaren Material eine neue Seite.

So putzig das alles klingt, das Ziel von Lialina und ihren Mitstreitern ist nicht, die überladene Do-it-yourself-Ästhetik der Internetfrühzeit lächerlich zu machen. Vielmehr geht es um eine Würdigung des Elans und der Kreativität der Amateure, die sich in dieser digitalen Folklore äußern. Kätzchen und Gifs willkommen.