20-jähriges Jubiläum der Galerie Zander

"Man darf nicht zur Szene, die Szene muss zu dir"

Der Kölner Galerist Thomas Zander feiert 20-jähriges Jubiläum. Monopol sprach mit ihm über die rheinische Galerienszene und den Markt für Fotografie

Herr Zander, herzlichen Glückwunsch zum 20. Jubiläum!
So schnell geht das! 1996 haben wir eröffnet. Ich glaube, das war im Februar. Jetzt feiern wir das Jubiläumsjahr mit einer ganzen Reihe besonderer Ausstellungen.

Wie kam es dazu, dass Sie Mitte der 90er-Jahre in Köln eine Galerie gründeten?
Vor 1996 habe ich für einen Industriellen ein Kulturprojekt geleitet. Dabei vergaben wir auch Ateliers an Künstler. Dann bekam ich die Gelegenheit, im Kölner Süden eine Parterre-Wohnung als Galerie zu nutzen. Kunst hat mich schon immer sehr interessiert, mit zwölf Jahren hatte ich mein erstes Bild gekauft. Zwischen 1970 und 1990 war Köln eine sehr lebendige Kunstmetropole mit vielen renommierten Galerien und bedeutenden Ausstellungen. Trotzdem fand ich damals, dass viele hervorragende Künstler durch das Raster des Kunstmarktes fielen. 1996 eröffnete ich also meine Galerie.

Wie bauten Sie ihr Programm auf?
Ich hatte gute Kontakte zur Werkkunst-Schule in Köln und der Kunstakademie in Düsseldorf. Einiges wurde mir von Professoren und von anderen Künstlern und Sammlern zugetragen, ein typisches Networking. Ich zeigte zuerst hauptsächlich Skulpturen, Malerei und Installationen. In dieser Zeit wurde die Fotografie durch die großen Ausstellungen der Becher-Schüler, durch das Sprengel-Museum und andere Institutionen in Deutschland erst wirklich salonfähig. Ich fand, dass sich meine Generation mit Fotografie auseinandersetzen muss. . Ende 1997 zeigte ich meinen ersten Fotokünstler, Tom Wood, und war damit sehr erfolgreich. Durch Gespräche mit Tom Wood erfuhr ich sehr viel über Fotografie und über Lee Friedlander und Garry Winogrand. Also habe ich Briefe nach Amerika geschickt. Lee Friedlander verwies mich auf seine Erstgalerie in San Francisco. Diese wollte, dass ich jährlich mindestens zehn Bilder für damals 2000 Mark pro Bild kaufte. Ich habe gleich abgelehnt, das erschien mir unmöglich. Trotzdem kam die Geschäftsverbindung zustande. Plötzlich hatte ich drei bis vier wichtige Positionen der amerikanischen Fotografie im Programm und verkaufte auch bald Bilder in großen Gruppen an Museen und Stiftungen.

Sie hatten eine Lücke im Kölner Kunstmarkt gefunden.
Ja, ich wurde schnell als Foto-Galerie wahrgenommen. Das war wie in einem Bienennest. Irgendwann kamen Lewis Baltz, Henry Wessel und weitere New Topographics-Fotografen dazu. Allein Lewis Baltz öffnete mir viele Türen. Ich hatte einen Vertrauensvorschuss. Dadurch bekam ich zahlreiche Leihgaben, bedeutende Werke und weitere Künstler. Das allein hätte aber keinen Erfolg garantiert. Auch muss eine Galerie betriebswirtschaftlich korrekt arbeiten.

Mussten Sie ihr Programm verändern im Laufe der Jahre, weil Sie gemerkt haben: bestimmte Positionen oder Künstler kann man nicht mehr zeigen? Die verkaufen sich nicht mehr?
Man bekommt ja immer mehr Möglichkeiten. Und wenn man von Null beginnt, kann nicht alles perfekt sein. Man muss Erfahrungen sammeln, sein Auge schulen. Mit der Zeit sieht man immer mehr und weiß mehr. Dabei verändert sich der Geschmack. Nicht hundertprozentig. Aber es gibt Künstler, die ich heute nicht mehr zeigen würde.

Weil Sie nicht mehr zu ihnen stehen?
Weil sie nicht mehr reinpassen. Ich habe das Profil meiner Galerie geschärft. Santiago Sierra, Andrea Geyer und Victor Burgin haben sehr politische Seiten. Malerei zeige ich fast gar nicht mehr. Die Qualität der Fotografien in meiner Galerie konnte ich in der Malerei nicht bieten. Die Maler, die in Frage gekommen wären, waren damals schon bei anderen, großen Galerien.

Wie verkauft sich abstrakte Fotografie im Gegensatz zu abstrakter Malerei?
Das kann man so nicht sagen. Auf Kategorien kommt es nicht an. Mir kommt es eher auf Qualität und Nachhaltigkeit an. Es kommt auch auf Vernetzung an – die Verbindungen zu zeitgenössischer Kunst herzustellen. Da ist auch mal ein Foto abstrakt, aber dieses Genre gibt es so in der zeitgenössischen Fotografie gar nicht.

Was ist dann ausschlaggebend im Handel mit den Werken?
Es ist auf jeden Fall entscheidend, sich auch mit der Technik der Fotografie auseinanderzusetzen. Die Fotografie ist ein komplexes Medium. Der Sammler sollte daher nicht nur Zugang zum jeweiligen Motiv haben, sondern auch Einblick in die technische Seite bekommen. Wie haltbar der Abzug ist, ist ein wichtiges Thema.

Ist es einfacher, die Karrieren von Fotografen stabil aufzubauen – weil in Fotografie nicht so viel Geld investiert wird?
Das ist ein Irrtum. In die Fotografie wird sehr viel Geld investiert, sodass ich da keinen großen Unterschied sehe. Jeder Künstler muss kontinuierlich arbeiten und hohe Qualität bieten, um langfristig erfolgreich zu sein. Nichtsdestotrotz kommt immer auch ein bisschen Glück dazu.

Baut man also Vertrauen auf, indem man "Qualitätsware" liefert? Bei Malerei und Konzeptkunst wird ja fast schon eher die Aura des Künstlers verkauft.
Ja. Viele Künstler machen heutzutage „nebenbei“ Fotografie. Dem entspricht die Qualität ihrer Abzüge. Zum Teil sind das nur Inkjet Prints. Ist das, technisch gesehen, noch Fotografie? Diese mit hochwertiger Qualität zu vergleichen, halte ich für sehr kritisch. Wir dagegen vermitteln ausbelichtete Abzüge und Pigment- und Light Jet Prints, deren Produktion äußerst aufwendig und teuer ist. Auch, um eine lange Haltbarkeit zu garantieren. Bei der Konzeptkunst dagegen geht es um die Idee, da ist die Haltbarkeit des Materials zweitrangig.

Können Sie ihren Künstlern etwas beibringen?
Nein, meine Künstler sind alle Profis, wandelnde Lexika. Ich höre ihnen gerne zu und lerne noch immer von ihnen. In Sachen Fotografie kann ich ihnen Nichts beibringen. In der Technik und im Fotolabor haben sie sehr viel Kenntnis und wissen genau, welchen Entwickler und Töner man verwenden kann. Im Gegenzug vertrauen sie mir bei Ausstellungen, Präsentation und den Buchpublikationen.

Wie hat sich ihr Aufgabenfeld innerhalb der Galerie im Laufe der Jahre verändert?
Alle Programmgalerien, denen Vermittlung immer genauso wichtig war wie der Verkauf, müssen heute stärker Handel betreiben. Insgesamt ist der Kapitalbedarf einer Galerie heutzutage wesentlich größer. Die Arbeit ist außerdem globaler geworden. Lange Zeit gab es für Galeristen nur zwei bis drei Möglichkeiten, sich auf Kunstmessen zu zeigen. Seit circa zehn Jahren findet das Hauptgeschäft dagegen auf Kunstmessen statt.  

Hat sich die Beziehung zu den Sammlern verändert?
Mir war es schon immer wichtig zu Sammlern eine persönliche Verbindung aufzubauen. Wenn jemand oft bei mir kauft, ist auch ein Vertrauensbeweis. Man teilt den gleichen Geschmack oder die gleiche Begeisterung für etwas. Langfristig entstehen so auch Freundschaften. Da viele Sammler immer öfter nur auf Messen zu sehen sind, wird es schwieriger, eine Bindung aufzubauen. Zunehmend verlassen sich Sammler zudem auf Art Consulter, ohne selbst über ein bestimmtes Knowhow zu verfügen. Sie kaufen Kunst als reine Investition.

Gehen Sie gerne auf Messen?
Ich finde Messen zum Teil sehr spannend, aber auch sehr stressig. In der Galerie kann man auch mal in Ruhe sitzen und sich mit den Sammlern austauscht, ohne gleich an das Business zu denken. Da holt man auch mal Bücher raus und entschleunigt.

Ein Neustart als Kunstberater ganz ohne Galerie wäre also Nichts für Sie?
Nein, das ist auch langfristig der Tod der Kunst. Was die Auktionshäuser tun, ist eine Katastrophe. Wenn der Schwerpunkt auf dem Geld liegt, spielt es keine Rolle mehr, Bücher zu machen oder nachhaltig zu arbeiten. Aber die Kunst braucht eine seriöse, nachhaltige Arbeit! Kunstvereine und Kunstmuseen machen das noch. Aber früher gehörten da auch die Programmgalerien dazu. Das waren die Säulen der zeitgenössischen Kunst. Für mich sind die meisten Art Consulter, die ein Bild von links nach rechts dealen, fast wie Parasiten, die versuchen, aus der Aufbau-Arbeit von Künstlern und Galeristen Kohle zu ziehen – überspitzt formuliert. Die springen ja von einem Mainstream auf den anderen. Aber dass man sich engagiert, sich auf etwas festlegt, sagt: Daran glaube ich, und das ist auch dann gut, wenn es der Markt gerade nicht will, das ist eine Leistung! Ich finde alle Galerien gut, die inhaltlich arbeiten. Da ziehe ich meinen Hut, wenn eine Galerie zu etwas steht.

Ist das der Grund, warum Sie nur eine Dependance in Köln haben?
Ja. Berlin und London kommen für mich natürlich theoretisch in Frage, aber ich kann nicht überall sein. Wir machen schon sechs Messen, fünf Doppelausstellungen und fünf Bücher im Jahr. Das sind sechzehn große Projekte, die sind wie sechzehn große Hochzeiten. Da machen Sie eine große Hochzeitsplanung, mit viel Liebe, und dann sind Sie da ein halbes Jahr mit beschäftigt, weil Sie nur drüber nachdenken, wie die Tischkarten aussehen. Ich glaube, wenn ich nie persönlich in Berlin bin, kann eine Dependance dort keinen Erfolg haben. Aber ich reise ja so schon zwischen 120 und 150 Tagen im Jahr. Das würde sich ja verdoppeln! Verrückt! Daher publizieren wir auch viele Bücher und schaffen so etwas Bleibendes. Wobei ich es, ehrlich gesagt, schon reizvoll fände, in Berlin oder einer anderen guten Stadt noch andere Räume zu haben.

Weil der Austausch ein anderer ist?
Genau. Darüber sprechen wir hier viel.

Beschäftigt Sie das nicht schon seit 20 Jahren? Eigentlich sind ja gerade in den 90er-Jahren viele Galerien von Köln nach New York und Berlin gewechselt.
Aber genau da wollte ich es nicht machen. Auch als Kölner. Ich wollte sagen: Ich bleibe hier in diesem schwierigen Umfeld und setze mich trotzdem durch. Man darf nicht zur Szene, die Szene muss zu dir. Das ist immer mein Credo gewesen. In Köln hatte ich auch den Raum, sehr viel Ausstellungsfläche aufzubauen. Das sind ideale Ausstellungsbedingungen, fast vergleichbar mit einem Museum.

Das ist also der Reiz für Sie, in den nächsten fünf Jahren in Köln zu bleiben?
So strikt würde ich das nicht sagen. Ich möchte nichts ausschließen.

Was würde der Stadt Köln fehlen, wenn Sie weggingen?
Also, wenn man sich die Kulturpolitik hier anschaut, bekommt man schon den Eindruck, dass die hier mit Galerien überhaupt nichts am Hut haben. Die gute Arbeit, die wir und auch andere Galerien in Köln leisten, wird nicht anerkannt.

Was werden Ihnen für Steine in den Weg gelegt?
Ach, die machen hier täglich was. Mein Gebäude, das ich 2002 gebaut habe, ist jetzt zum Beispiel willkürlich Teil eines Sanierungsgebiets. Dies geht mit vielen Restriktionen und Einschränkungen einher. Für mich ist gerade die Frage, soll ich noch hier bleiben? Ich könnte natürlich auch in die Innenstadt ziehen. Oder nach Düsseldorf!

Düsseldorf wäre attraktiv für Sie?
Ja also die Düsseldorfer ... das ist schon gut da, die Bedingungen sind da sicherlich nicht reizlos. Die Museen sind gut. Das haben wir hier auch, aber dort hätte ich genauso eine große Aufmerksamkeit von rheinischen Sammlern wie in Köln. Und die Stadt Düsseldorf würde mir wahrscheinlich noch Räume suchen! Aber das wäre die Höchststrafe für die Stadt Köln. Berlin, New York oder Paris würden die ja noch verstehen. Aber bei Düsseldorf gäbe es wirklich einen Aufschrei!

Gab es denn noch andere Krisen in den letzten 20 Jahren?
Nein, eigentlich gar nicht. Aber ich habe ja bestimmte Schwellen nie überschritten. Wie zum Beispiel eine zweite Dependance zu eröffnen.

War die erste Eröffnung denn damals eine große Herausforderung?
Es war schwierig, zu den Kunstmessen zugelassen zu werden - das war früher alles strenger. Es gab viel mehr Anmeldungen als Messen. Aber wenn man beispielsweise auf der Art Cologne zugelassen war, wurde man von der Kunstszene auch eher akzeptiert.

Noch eine letzte Frage: Was steckt hinter der großen Gruppenausstellung mit fünf Künstlern, die es jetzt zum Jubiläum zu sehen gibt? Bisher machten Sie ja ausschließlich Einzel- und Doppelschauen.
Alle fünf Künstler werden schon seit Langem von mir vertreten, und sie haben viele Gemeinsamkeiten. Alle sind kalifornische Künstler: John McLaughlin beeinflusste die anderen vier Künstler Lewis Baltz, Don Dudley, Anthony Hernandez und Robert Irwin sichtbar.