Rezeptbuch "Paulas Juwelen"

Die Kunst des Kochens

Dass sich Kunst und die Zubereitung von Speisen nicht nur verbinden, sondern als kulturelle Leistungen unter den gleichen Kriterien bewerten lassen, konnte keiner so gut erklären wie der österreichische  Experimentalfilmer und Kochkenner Peter Kubelka, langjähriger Professor an der Frankfurter Städelschule. Seine Kollegin, die ebenfalls emeritierte Malereiprofessorin Christa Näher, hat nun die Bilder zu einem kleinen, feinen Streifzug durch die elaborierten Nischen des Genießens beigesteuert, den die schwedische Kunsthistorikerin Charlotte Birnbaum verfasst hat. Obwohl es in „Paulas Juwelen“ für jeden Tag einen Eintrag gibt, hat die Mischung aus Kulturgeschichte, Rezepten, Kunstanekdoten und Zitaten nichts von einem Geschenkbuch oder Kalender.

Mal führt das kulinarische Spezialistentum in den Exzess, mal ist es dramatischen Bedingungen geschuldet: Eichhörnchen in Speck nach einem Rezept von Henri de Toulouse-Lautrec etwa oder das Titanic-Menü vom 14. April 1912 – am Abend des Unglücks servierten die Kellner Rebhuhn auf Madeira-Bohnen. Übermütig fragt die Autorin Mitte Dezember: „Zu viel Gans gehabt?“, und empfiehlt stattdessen Schwan nach einem Rezept von 1530.

Persönliche Notizen machen das Buch besonders. Zum Beispiel Birnbaums Erinnerung an einen Tag mit Philippe Parreno im Pariser Café de Flore, wo der Künstler ihr und ihrem Mann die erfrischende Wirkung von Wodka Pampelmuse näherbrachte. Oder die Namensgeberin des Buches, ihre Schwägerin Paula, die an einem Augusttag Oliven auf filetierte Orangen streute. Manche Information ist beste Grundlage für die nächste Tischkonversation. So wurden Tagliatelle vom Promikoch der Renaissance, Zafirano, anlässlich der Hochzeit von Lucrezia Borgia erfunden. Die Nudeln sollten an ihr langes, blondes Haar erinnern. Und als letzte Mahlzeit löffelte Königin Marie Antoinette am 16. Oktober 1793 Geflügelbrühe mit Nudeln.

Charlotte Birnbaum verbrachte einige Zeit im Umfeld des Städel, zu Peter Kubelkas Geburtstag am 23. März widmet sie ihm ein schlichtes, aber gewiss köstliches Bratapfelrezept. Man muss das Gericht nicht nachgekocht haben, um es zu genießen, lesen reicht.

Charlotte Birnbaum: „Paulas Juwelen. Kulinarische Streifzüge durch das Jahr“, Walther König, 278 Seiten, 29,80 Euro