Imi Knoebel

Der lachende Dritte

Imi Knoebel muss man nicht wiederentdecken, denn er war nie ganz weg. Trotzdem passt es gut, wenn sein Werk jetzt gleich in mehreren Ausstellungen in Berlin gefeiert wird: in der Deutsche Guggenheim, der Neuen Nationalgalerie und der Galerie Fahnemann. Gerade in jüngster Zeit haben eine ganze Reihe jüngerer Künstler wie Anselm Reyle, Kitty Kraus oder Simon Dybbroe Møller mit beachtlichem Erfolg neomoderne Bildstrategien eingesetzt, die sich bei Knoebel bereits vor 30 Jahren fanden.

1940 in Dessau geboren, studierte er ab 1965 bei Joseph Beuys. Dessen Schülern standen an der Düsseldorfer Kunstakademie zwei Räume zur Verfügung: In Raum 18 arbeiteten die eher traditionellen Nachwuchsmaler und -bildhauer. Imi Knoebel, Rainer Giese und Blinky Palermo nahmen hingehen den Nachbarraum in Beschlag, nach dessen Nummer Knoebel auch eine seiner frühesten Arbeiten benannte. „Raum 19“ aus dem Jahr 1968 ist eine vielteilige Installation, die auf den ersten Blick wie das wohlsortierte Materiallager einer Schreinerei wirkt. 77 hintereinandergeschichtete Holz- und Hartfaserelemente lehnen sich in der ursprünglichen Version des Werks an Wände oder stehen frei im Raum: geometrisch klare Bauformen einerseits, andererseits aber auch Keilrahmen – Skulptur und Malerei in ihrer Rohform, als reine Potenzialität.

Der „Raum 19“, der jetzt auch den Ausgangspunkt in der Neuen Nationalgalerie bildet, ist ein frühes Schlüsselwerk des Künstlers – eine Hommage an seinen Lehrer Joseph Beuys ist er sicher nicht. Das puristische Ensemble erinnert vielmehr an amerikanische Minimal-Künstler wie Donald Judd, und die nackten Keilrahmen wirken wie die konsequente Weiterführung von Kasimir Malewitschs gegenstandsloser Malerei. Knoebel hat oft betont, dass Malewitschs „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ ihm die Augen für die Kunst öffnete, und das heißt für ihn: den Schwellencharakter zwischen Bildlosigkeit und Bild, unsichtbarer und sichtbarer Welt ausloten.
 
In der Folge befreit er sich nicht nur von dem geistigen Ballast der Moderne, sondern auch von deren formaler Strenge. Bis Knoebel kam, galten geometrische Formen und die ihnen innewohnende Klarheit als Kernstück der abstrakten Kunst, bei den russischen Konstruktivisten und den De-Stijl-Künstlern, bei Donald Judd wie bei Barnett Newman. Ein Dreieck, eine Raute, ein Rechteck – das sind mathematisch-eindeutige, stabile Ordnungssysteme. Knoebel hingegen entwirft ein wackeliges Siebeneck. Hängt ein weißes Rechteck schräg an die Wand und setzt ein zweites, verzogenes Rechteck darüber, als seien Malewitschs monochrome Meisterwerke besoffen ineinandergekracht. Er benutzt Formen, die wie überdimensionale Puzzleteile oder vom Meerwasser geschliffene Scherben aussehen. Und er experimentiert ab Mitte der 70er-Jahre mit strahlenden, zauberhaften Farben.

Noch bei Newman repräsentierten Rot, Gelb und Blau abstrakte Ideen – Knoebel befreit die Farben von dieser Hypothek: Sein Spektrum reicht von Orange bis zu Phosphor-Grün, von Nachthimmelblau bis zu intensivem Gelb, selbst unmöglichste Kombinationen tanzen bei ihm in Harmonie. Durch ihr Material werden seine Bilder noch kapriziöser: Zunächst malt Knoebel mit Acryl auf Holz, später verwendet er Aluminiumplatten und integriert Spiegel und Kunststofffolie in seine Gemälde.

Wer in der Neuen Nationalgalerie ausstellt, hat immer auch mit der kompromisslosen Architektur des Mies-van-der-Rohe-Baus zu kämpfen. Doch so kühn wie Knoebel hat sich bislang wohl kaum ein Künstler mit dem Glas- und Stahl-Tempel auseinandergesetzt, der im selben Jahr – 1968 – entstand wie sein „Raum 19“. Knoebel wird die gesamte Glasfläche des Obergeschosses weiß streichen, als wollte er zwei Hohepriester der Moderne aufeinander loslassen: Malewitschs monochrome Malerei hier, Mies’ transparenter Universalraum dort. Und mittendrin Knoebel selbst, als der lachende Dritte.

Parallel zur Neuen Nationalgalerie zeigt die Galerie Fahnemann großformatige, abstrakte Bilder Knoebels aus den vergangenen zwei Jahren. Außerdem geben in der Deutsche Guggenheim in Berlin 200 Collagen, Fotografien, Druckgrafiken und Zeichnungen einen Überblick über sein Schaffen von 1968 bis 2005. Zusätzlich werden dort neuere Metallbilder gezeigt, die in den Ausstellungsraum ragen, und mit denen Knoebel die Wirkung von Farbe im Raum erkunden will. Diese Werkreihe entstand in den letzten vier Jahren, und mit ihrem Titel bezieht sich Knoebel auf Barnett Newmans berühmte Frage, wer Angst vor Rot, Gelb und Blau habe. Seine Antwort ist so trocken wie überzeugend: „ICH NICHT“.

Sebastian Frenzel


Imi Knoebel: „Zu Hilfe, zu Hilfe …“ Neue Nationalgalerie Berlin, bis 9. August 2009
Imi Knoebel: „ICH NICHT“ und „ENDUROS“. Deutsche Guggenheim Berlin, 23. Mai – 21. Juni und 26. Juni – 31. Juli. Die Galerie Fahnemann in Berlin zeigt Knoebel bis zum 3. Juli