Das Kunstmarkt-Briefing

 

 

Eine Rezession, aber kein Tsunami
„Where are we going?“, wohin gehen wir? So lautete der Titel der ersten Ausstellung der Sammlung François Pinault im Palazzo Grassi 2006. Ein Satz, der wie ein Motto funktionierte für 2009. Es war definitiv ein hartes Jahr, Händler sahen ihre Umsätze sinken. Der Berliner Galerist Johann König verzeichnete einen Rückgang von 20 Prozent, Xin Dong Cheng aus Peking sogar 50 Prozent. Trotzdem erlitten die Galerien keinen Tsunami. Kein großer Händler musste schließen, nur einige kleine Künstlergalerien schafften es nicht. Einige wie David Zwirner oder Hauser & Wirth expandierten sogar in New York.
Viel schlimmer war die Konjunkturschwäche für die Auktionshäuser, die auf eine drastische Diät gingen. Bei Sotheby’s Amsterdam sind von 50 Angestellten nur noch 15 übrig. Im Pariser Büro musste die Belegschaft Gehaltskürzungen zwischen fünf und 40 Prozent hinnehmen. Nach Meldungen des Finanznachrichtendienstes Bloomberg sanken die Umsätze von Christie’s und Sotheby’s bei den Auktionen zeitgenössischer Kunst 2009 um 75 Prozent, nachdem die Auktionshändler den Verkäufern keine Preisgarantien mehr gaben.

Für dieses Jahr beläuft sich die Schätzung für die Abendauktion von Sotheby’s im Frühjahr auf 35 Millionen Pfund. Das kommt nicht einmal in die Nähe der Ergebnisse von 2008, aber wäre viel besser als das Ergebnis vom vergangenen Februar, als Sotheby’s nur 17,8 Millionen Pfund erzielte. Allein: Ohne die Versteigerung von Hauptwerken der Sammlung Lenz Schönberg (siehe Artikel links) sähe es auch hier weit düsterer aus.
Die große Umwälzung des vergangenen Jahres ist der Wandel von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt. Seit Juni machte sich neuer Optimismus breit, allerdings mit einem gewissen Konservativismus gepaart. Käufer sind bereit, atemberaubende 43,76 Millionen Dollar für einen Bluechip-Künstler wie Warhol zu zahlen oder 10,1 Millionen Dollar für einen etablierten Maler wie Peter Doig; von beiden werden Werke sowohl bei den Christie’s- als auch bei den Sotheby’s-Februarauktionen angeboten. Gleichzeitig sind die Preise für Murakami, Koons oder Hirst um 50 Prozent gefallen.

 

 

Zukunftsperspektive: Flexibilität
Ein Jahr lang haben also die Marktteilnehmer ihre Erwartungen anpassen müssen – und jetzt entspricht die Stimmung dem Titel der Schau der Jumex-Sammlung in Miami vom Dezember: „Where do we go from here?“ Wie geht’s weiter? Der Berliner Händler Matthias Arndt beantwortet die Frage so: „Meinem Gefühl nach wird es nicht mehr so schwer wie in der ersten Phase der Krise. Es wird kontinuierliche Käufe hauptsächlich von den wichtigsten Privatsammlern, aber auch von den Institutionen geben.“

Für Arndt ist Fokussierung ein Schlüsselwort. Seine neu aufgestellte Galerie unter dem Namen Arndt wird nur mit 15 Künstlern und Künstlerinnen arbeiten, darunter Sophie Calle und Thomas Hirschhorn. Der New Yorker Händler Zach Feuer hatte seine Künstlerliste bereits im vergangenen Jahr reduziert.

2010 wird auch das Jahr, in dem Händler neue Messen testen. Johann König plant seine erste Teilnahme an der Armory Show in New York und bei der Artbrussels, jeweils mit einem Soloprojekt. Auch Esther Schipper wird experimentieren und reist zur New Yorker Messe. Im Januar arbeitete sie mit der Pariser Galeristin Nathalie Obadia beim Berlin-Paris-Galerienaustausch zusammen. Eine überraschende Verbindung, denn es trafen sehr unterschiedliche Ästhetiken aufeinander. Aber Esther Schipper erklärt: „Man muss die Perspektive erweitern. Wir sollten nicht immer in die gleiche Richtung blicken. Das ist jetzt sogar noch wichtiger als früher.“ Ein gutes Motto für 2010.