In Bonn erfreut Ryan Gander alle Kognitionsjunkies und gibt seine Nummer raus

Ich mache die Augen auf. Und sehe ein weißes Blatt Papier. So beginnt jeder, der an Konzepten arbeitet. Wolf Vostell veröffentlichte ganze Bücher voller Handlungsanweisungen für Happenings. Der Engländer Ryan Gander, 1976 geboren, nimmt seine weißen Blätter, hängt sie an Fäden auf, hält einen schwarzen Karton dahinter, fotografiert das schwebende Papier. Dann lasert er das Bild vom Blatt mitten hinein in 100 kompakte Kristallkugeln – man kennt die Technik vom Weihnachtsmarkt –, die nun im Bonner Kunstverein auf dem Boden verteilt liegen. 15 Zentimeter Durchmesser eine jede, jeweils ein kleines, weißes Blatt in sich eingeschlossen: „A sheet of paper on which I was about to draw, as it slipped from my table and fell on the floor“ (2008).
 

Die Kugeln bilden eine gedankliche Verbindung für die knapp 20 Arbeiten im Kunstverein, sie markieren einen Zwischenraum, in dem sich besonders die Arbeit „What the Postman Brought“ (2007) entwickelt. Sie besteht aus zwei Schrauben und einer horizontalen Linie an der Wand, aus einem weißen Sockel mit Buchständer, einem Holzrahmen mit Passepartout und einer Bildtexttafel, die auf die abwesenden Dinge verweist: das Bild, das Buch, das Autograf ... Erfreulich unaufgeregt, auf eine Art alchemistisch und doch genau richtig für uns Kognitionsjunkies. Etwas selbstbezüglich wird es, wenn an die Wand gedruckte Texte von der Kuratorin sind – über die Arbeit mit dem Wanddruck. Vollends hermetisch ist dann die Videoarbeit „Basquiat“ (2008), in der Ganders Galerist im Schlafanzug auf einem Klapprad durch den Londoner Victoria Park radelt und aus dem Off den Pressetext zur Arbeit selbst liest: „That is our text, that is this text.“
Auf den vier großen Fototapeten, die die Kristallkugelvorbereitung im Atelier zeigen, findet der aufmerksame Besucher einen Zettel an der Wand mit Ganders Telefonnummer: 07766912213. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie an, auch auf die Gefahr hin, Teil seiner nächsten Ausstellung zu werden. Ein wenig hereinbrechende Realität ist ihm sicherlich willkommen.