Mode-Monografien von Taschen

Bitte keine süßen Frauen

Wer sich derzeit in Boutiquen für junge Mode über seltsam proportionierte Korsagenkleider in Pastellfarben wundert und mit semitransparenter Spitze und Blümchenmustern nichts anfangen kann, stellt fest: Die aktuellen Codes lassen sich allein mit dem Popwissen der vergangenen drei Jahrzehnte nicht ohne Weiteres dechiffrieren. Um sie zu verstehen, müsste man schon das „Rookie Yearbook“ der Modebloggerin Tavi Gevinson, sie wird bald 17, lesen.

Aber vielleicht hat jene Ratlosigkeit viel weniger mit Altersunterschieden zu tun, als man denkt. Sondern eher damit, durch wen das eigene Empfinden für Mode, den Ausdruck durch Kleidung, geprägt wurde. Und das waren in den vergangenen Jahrzehnten definitiv keine Blümchenleute. Es waren Designer, die an der Auflösung von traditionellen männlichen und weiblichen Zuschreibungen interessiert waren, wie Martin Margiela oder Yohji Yamamoto. Oder die sich durch gnadenlose Übertreibung zum Thema verhielten, wie Vivienne Westwood. Oder die mit großem Eigensinn einfach eine neue Gattung jenseits erlernter Rollen entwickelten, wie Rei Kawakubo für Comme des Garçons.

Es ging in jedem Fall um eine kontroverse Auseinandersetzung mit Geschlechter-, vor allem aber mit Frauenbildern. Wer in aktuellen Kollektionen junger Designer nach Androgynität sucht, findet da höchstens einen koketten Gaucho-Look.

Der Taschen Verlag hat jetzt mit dem Gründer des Magazins „i-D“, Terry Jones, Monografien von drei der einflussreichen Modemacher veröffentlicht: Kawakubo, Westwood und Yamamoto. Letzterer wollte „auf gar keinen Fall süße, püppchenhafte Frauen kreieren“, die Männer so mögen, wie er in seiner Jugend im Nachkriegs-Tokio voller Abscheu beobachtete, während seine Mutter als Kriegswitwe hart in der Bekleidungsindustrie arbeitete.

Es sind genau diese biografischen Details und Anekdoten, die retrospektiv in den sehr unterschiedlichen Ansätzen der drei Designer ein Gesamtbild erkennen lassen. Alle wurden um die Zeit des Zweiten Weltkriegs herum geboren (auch Jones), alle haben die Verhältnisse mit großem Unbehagen betrachtet, und alle haben sich neben ihren ausgefallenen Entwürfen entweder durch besondere Lautstärke (Westwood) oder deutliches Schweigen (Kawakubo, Yamamoto) Gehör verschafft.

Da die drei großformatigen Bände allerdings ausschließlich Fotografien, Interviews und Texte enthalten, die in „i-D“ veröffentlicht wurden, dominiert das Editorial Design des Zeitgeistmagazins manchmal die Mode. Und die ist deutlich besser gealtert. 

Terry Jones: „Rei Kawakubo“, „Vivienne Westwood“, „Yohji Yamamoto“. Auf Deutsch, Englisch und Französisch. Taschen Verlag, je 120 Seiten, je 29,90 Euro