Messewoche New York

Auf welligem Teppich sehr viel Allerlei

Gut, Fußballtrainer, das ist auch eine Lösung. Der Galerist Ben Kaufmann denkt darüber nach, seinen Beruf an den Nagel zu hängen: Man verdient im Fußball einfach mehr. Und die Kunst muss ja nicht einzige Passion im Leben sein. Wenn man in New York gleich auf zwei Messen Kojen hat, kostet das natürlich Geld. Aber Kaufmann will mit Grandezza aussteigen. Und es könnte ihm gelingen. Auf der Armory Show am Ufer des Hudson River, dieser hysterischen Greatest-Hits-Ausstellung der internationalen Galerie-Großmeister, zeigt er – ziemlich frech – einfach nur eine Diaschau von Werken seiner Künstler. Weniger Augenfutter geht eigentlich nicht. Auf der Nebenmesse Independent im Galeriedistrikt Chelsea dagegen hat Kaufmann die abstrakten Bilder Hansjörg Dobliars vor des Künstlers figurativer Fototapete inszeniert – ein souveräner Auftritt. Eigentlich schade um diese Galerie – wenn sie denn wirklich abtritt.

Die Armory ist zwar der Anlass für die Kollektivanreise des Kunsttrosses – aber nicht der Grund. Es gibt in Manhattan einfach zu viel gute Kunst, als dass man auf dieser Hauptmesse zwischen all den Kojen nach überzeugenden Einzelwerken suchen muss. Die gibt es allerdings. Zum Beispiel Jen Denikes Ballett-Performance bei Mendes Wood, die Videos von David Claerbout bei Yvon Lambert oder Gilbert & Georges serielle Postkartenarbeiten bei Lehmann Maupin. Aber ansonsten herrscht auf dem gewellten, aufspringenden Teppich der Armory einfach sehr viel Allerlei – das ewige Kunstmessenthema: Kann hier nicht mal einer ordentlich kuratieren?

Man kann: Auf der Independent. In den wunderbaren, lichtdurchfluteten Räumen der ehemaligen Dia Art Foundation war die Balance zwischen Kojen-Identität und gemeinsamem Mut zum klugen Ineinanderfließen der Galerie-Kunstwerke jederzeit gewahrt. Allgemein ist eine Abwanderungstendenz wichtiger Galerien von der Armory weg, einerseits zum edlen, vor Eleganz fast summenden Moderne-Messeflaggschiff der Art Dealer’s Association of America, andererseits zur klein-feinen Nachwuchs-Ableger der Independent zu beobachten.

Dort sind auch wichtige Berliner Galerien wie Johann König (mit großartigen Werken von Manfred Kuttner, Tatjana Trouvé oder Alicja Kwade) oder Sprüth Magers präsent – deren Stand ist jugendlich-radikal, mit Arbeiten von Thea Djordjadze, Cyprien Gaillard oder David Maljkovic, und hat so überhaupt nichts von Greatest Hits. Und alle, fast alle zeigen Skulpturen. Ein neuer Trend? Vielleicht. Aber vor allem der Versuch, den Sonnenlichtduschen in den perfekten Sälen gerecht zu werden. Wären doch alle Messen so wie die Independent.

Geht man von dort aus ein paar Straßen weiter, etwa zur Galerie Barbara Gladstone, eröffnet sich aber noch einmal ein ganz anderer Kosmos: Dort inszeniert Kai Althoff eine Ausstellung neuer Werke so meisterhaft flottierend  zwischen Altmeister-Technik, Expressionismus, Groteske, zwischen Seventies-Designfiesheiten, heimeliger Kirchentags-Ästhetik und handgemachter Klobigkeit, dass dieser Auftritt fast beängstigend souverän rüberkam. Wen der eiskalte Wind unter strahlender Sonne nicht ins Hotel trieb, der blieb hier hängen.

The Armory Show und die Independent laufen noch bis zum 6. März 2011