Kunstwerke auf Albumcovern

Plattenhüllenkunstgeschichte

Von Gerhard Richter bei Sonic Youth bis Jeff Koons bei Lady Gaga: Die jüngere Kunstgeschichte ist auf Albumcovern bestens repräsentiert

Auch wenn Vinylfetischisten jetzt protestieren: Am Sound kann es nicht liegen, dass die Schallplatte seit Längerem eine Renaissance erlebt. CDs sind die mit ihrem größeren Frequenzumfang klanglich überlegenen und zudem handlicheren Tonträger. Doch fürs Cover ist auf den paar Quadratzentimetern einfach zu wenig Platz, als Bildträger sind analoge Alben also unschlagbar.

500 Plattenhüllen zeigt der neue Band "Art Record Covers", viele davon in der Originalgröße von 30 mal 30 Zentimetern. Ob Laurie Andersons Album "Big Science", Debbie Harrys von HR Giger designte "KooKoo"-Hülle oder eine von Andy Warhol gestaltete Aretha-Franklin-Platte: Wer die Musik dazu hören will, kann sie sich als Datei downloaden. Wer unbedingt das komplette Album mit schwarzer Scheibe besitzen muss, zählt wahrscheinlich zu den fanatischen Jägern und Sammlern – wie der Herausgeber des sechs Jahrzehnte umspannenden Bildbandes. Mehr als 270 Künstler von Franz Ackermann über Joanne Greenbaum, Keith Haring, Alex Katz, Cindy Sherman, Wolfgang Tillmans oder Charline von Heyl bis zu Christopher Wool sind in alphabetischer Reihenfolge mit einem oder mehreren Covern repräsentiert.

Der Kunsthistoriker und Künstler Francesco Spampinato hat Werke zusammengetragen, die den vielfältigen Beziehungen zwischen bildender Kunst und Popkultur entstammen. In seinem lesenswerten Begleittext bezeichnet der Autor das "Plattencover als vollkommenes Medium für einen erweiterten Kunstbegriff". Eigentlich, so legt Spampinato es nahe, brauche der Kunstrezipient von heute seinen Fuß weder in Galerien noch in Museen zu setzen. Tatsächlich: Die Kunstgeschichte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts ist auf Plattencovern recht gut repräsentiert. Wenn das Geld für Originale nicht reicht, kann man sich eine Kunstsammlung aus dem Plattenangebot von Flohmärkten und Online-Anbietern zusammenstellen. Die Zahl von 3000 vom Herausgeber recherchierten Kunst-Covern spricht für sich.

Die Geschichte der visuell gestalteten Hülle beginnt mit dem US-Grafikdesigner Alex Steinweiss, der erstmals 1940 für Columbia Records ein illustriertes Cover entwarf. Andy Warhol war noch Illustrator, als er – ebenfalls für Columbia – 1949 sein erstes LP-Cover gestaltete. Sein berühmtes Bananen-Motiv für das 1967er-Debütalbum von Velvet Underground und Nico darf in der Sammlung natürlich nicht fehlen.

Abgebildet sind auch Cover, die lizenzierte Kunstwerke von René Magritte, Henri ­Matisse oder Pablo Picasso zeigen. Mit der Übernahme eines Gemäldes von Victor Vasarely läutete David Bowie 1969 die Ära der Op-Art auf Plattenhüllen ein. 1973 ließ die Krautrockband Faust ein Bild von Bridget Riley auf dem Cover flimmern. Neben solitären Kooperationen – Franz Ackermann für Nobukazu Takemuras Album "Etude", Urs Fischer für die Yeah Yeah Yeahs, Neo Rauch für die Leipziger Band ZIN – hat es immer wieder Serien gegeben. So gestaltete Josef Albers zwischen 1959 und 1961 sieben Hüllen mit abstrakten Motiven zu Unterhaltungsmusik für das Label Command Records. Damien Hirst arbeitete für eine Reihe von Platten mit The Hours zusammen, Raymond Pettibon mit Black Flag und OFF!.

Die amerikanischen Bands Red Krayola und Sonic Youth wiederum haben zeitgenössische Cover-Kunst zu ihrem Markenzeichen gemacht. Sonic Youth sei "der repräsentativste Fall für das Aufeinandertreffen visueller Kunst mit Musik", schreibt Spampinato. Neben Tauba Auerbach, Shepard Fairey, Christian Marclay, Albert Oehlen und Raymond Pettibon hat er auch die Sonic-Youth-Mitgründerin Kim Gordon für den Bildband interviewt. Welches Cover den Ethos der No-Wave-/Noise-Rock-Band am besten verkörpere, wird die Musikerin und Künstlerin gefragt. Ihre Antwort: "Vielleicht das von Mike Kelley oder Raymond Pettibon, die auch die beiden beliebtesten Cover sind, oder das von Gerhard Richter. Die Arbeiten von Mike und Raymond behandeln beide Subkulturen und die Beziehungen zwischen Hoch- und Massenkultur, und darum geht es auch in unserer Musik, finde ich."