Phyllida Barlow in St. Gallen

Der Sprache beraubt

In St. Gallen bringt die Bildhauerin Phyllida Barlow ihre Skulpturen zum Schweigen

Als in New York die Zwillingstürme zusammenstürzten, sei das, meint Phyllida Barlow, der Kollaps des "letzten phallokratischen Objekts“ gewesen. Das Bild der Katastrophe trage "Tragödie, Triumph, Schönheit und immenses Leid in sich". Der Bildhauerin, 1944 in Newcastle upon Tyne geboren, liegt das
Monumentale ästhetisch fern: Bereits in den 60er-Jahren arbeitete sie an provisorischen, fast ruinös wirkenden Skulpturen.

"Ich bin wohl obsessiv, aber keine Perfektionistin", sagte die Britin am Rand ihrer gefeierten Soloschau 2014 in der Londoner Tate Britain. Ihre Arbeiten entstammen einem ergebnisoffenen Prozess, ihre Ausdruckskraft raubt vielen Betrachtern regelrecht die Sprache. "Skulptur", so Barlow, "ist etwas, was du nicht in Worte fassen kannst." Wie jener Bewohner von New Orleans, der sein Haus nach dem Hurrikan Katrina auf dem Kopf stehend wiedersah: Was war das, was man nicht mehr "Zuhause" nennen konnte?

Lange Zeit von ihren eigenen Schülern (Rachel Whiteread, Douglas Gordon oder Spartacus Chetwynd) an Bekanntheit überragt, ist die Künstlerin erst in den vergangenen Jahren zu spätem internationalem Ruhm gekommen. Inzwischen werden die physischen Reste ihrer oft raumgreifenden Installationen nicht mehr im Müllcontainer entsorgt, sondern Sammlungen einverleibt. Seit Jahren kooperiert das Kunstmuseum St. Gallen mit der Sammlerin Ursula Hauser, aus deren Kollektion sich die Soloschau "Phyllida Barlow: Mix" zusammensetzt.

Laut Konrad Bitterli, dem Kurator des Museums, sollen die gezeigten Skulpturen und Environments, dazu etwa 230 Zeichnungen, mittels derer Barlow ihre Formideen entwickelt habe, sich wieder zu einer "großen Ganzheit" runden. Das Haupthaus mit seiner "Definitionsmacht" hält der Kunsthistoriker für einen weniger geeigneten Ort für die Künstlerin, daher findet die Ausstellung in der Lokremise statt. In diesem Industrieareal, das als Kulturzentrum dient, sind nach einer Sammlungspräsentation im Jahr 2012 nun zum zweiten Mal Werke von Barlow zu sehen.