Peter Van Agtmael im Interview

Konfliktzone USA

© Peter van Agtmael / Magnum Photos
© Peter van Agtmael / Magnum Photos

Seit mehr als zehn Jahren fotografiert der New Yorker Peter van Agtmael, geboren 1981, die Kriege in Afghanistan und Irak. Der Magnum-Fotograf hat für seine Bilder zahlreiche Preise gewonnen

Sie sind Kriegsreporter, doch für "Buzzing at the Sill" fotografierten Sie in Ihrer Heimat USA. Warum?
Während einiger Pausen zwischen meinen Reisen nach Irak und Afghanistan begann ich die Geschichten von Veteranen zu Hause zu verfolgen. Ich besuchte sie meist in ländlichen Gegenden in kleinen Städten und stellte fest, wie wenig ich über die verschiedenen Realitäten und Lebenswelten in den USA wusste. Also beschloss ich, mein Land besser zu verstehen, das dieses enorme Chaos anrichtete.

Der Vietnamveteran ging in die Popkultur ein. Wie ist die Situation heute?
Vietnam war auch deshalb ein ganz anderer Krieg, weil er alle Schichten betraf. Ich habe an der Elite-Uni Yale studiert. Auf den Gedenktafeln für die gefallenen ehemaligen Studenten stehen Tausende Namen, aus dem Bürgerkrieg, dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnamkrieg. Danach gibt es keine Namen. Die Eliten haben keine Verbindung zum Krieg mehr, der Berufssoldat keine zu den Machtstrukturen. Trotzdem sind die Einflüsse dieser Kriege auf das Land enorm, vom Schock des 11. September bis zur jetzigen Flüchtlingskrise. Wie sehr, ist noch gar nicht abzusehen. Um das Thema kollektiv zu verarbeiten, müsste es aber wohl abgeschlossen sein. Und das ist nicht in Sicht.

Was fanden Sie auf Ihrer Reise vor?
Ein verunsichertes, verwirrtes Land mit ungeheurer Macht, aber mit gefährlich wenig Ahnung davon, wie diese Macht ausgeübt wird und mit welchen Folgen für die Welt. Das Bild von Amerika, das in Schulen, Gedenkveranstaltungen und der Popkultur weitergegeben wird, ist immer noch extrem simpel und oberflächlich, selbstbeweihräuchernd und scheinheilig. Nur sehr wenige weiße Amerikaner stellen es infrage. Das tun nur diejenigen, die diese Geschichte marginalisiert, Afroamerikaner und andere Minderheiten.

Wie wichtig sind Zufallsbegegnungen?
Alle Begegnungen sind wichtig, nicht nur mit Menschen, auch mit der Landschaft. Für mich ist die größte Magie an der Fotografie, wie etwas Schönes plötzlich aufscheint und dann genauso schnell wieder verschwindet. Manchmal passiert es auch mit Fremden und manchmal mit Menschen, die man liebt. Warum und wann diese Dinge aufscheinen, ist mir ein völliges Rätsel. Ich versuche nur, sie wahrzunehmen.

Während wir uns austauschen, sind Sie auf dem Weg zur Inauguration von Donald Trump. Welche Erwartung haben Sie?
Keine. Ich habe die zweite Amtseinführung von Bush und beide von Obama fotografiert, alle verliefen sehr ruhig, aber ich versuche auf alles vorbereitet zu sein. Aber wenn man schon vorher weiß, was man sucht, wird Fotografie schnell langweilig und leer.

Sie haben in Portland eine irakische Flüchtlingsfamilie fotografiert. In Deutschland ist es ein großes Thema, für Sie auch?
In "Buzzing at the Sill" geht es eher um Rasse, um Klassen, Erinnerung, Nationalismus, Familie, Heim. Die Kriege sollten nur ein ferner Widerschein sein. Das nächste Buch, an dem ich arbeite, behandelt die Frage sehr ausführlich, in Amerika und in Europa. Ich habe mit meiner Partnerin Alia Malek, die syrisch-amerikanische Journalistin und Anwältin ist, intensiv in Deutschland gearbeitet. 2015 begleiteten wir eine Gruppe von Syrern von der griechischen Insel Kos nach Deutschland. Seitdem begleiten wir ihre Geschichte alle sechs Monate.