„Mode ist nicht nur Spektakel“

 

Herr Celant, Sie leiten seit 1995 die Kunststiftung eines Modehauses, die Fondazione Prada. Und am 6. Februar werden Sie im NRW-Forum Düsseldorf beim „Art and Fashion Dialogue“ sprechen, bevor die holländischen Modeschöpfer Viktor & Rolf dort eine neue Installation eröffnen. Was haben Kunst und Mode gemeinsam?
Nichts! Es sind zwei ganz unterschiedliche Sprachen. Beide transportieren Botschaften über die Gegenwart, aber mit unterschiedlichen Strategien und Werkzeugen. Meine Tätigkeit für die Fondazione Prada erstreckt sich deshalb ausschließlich auf kulturelle Aktivitäten wie Kunstausstellungen, Kinofestivals, die Produktion von Büchern oder Veranstaltungen. Ich habe niemals direkt mit dem Unternehmen Prada zusammengearbeitet. Das waren immer zwei getrennte Universen.

Gleichzeitig haben Sie aber als Museumskurator Designer ausgestellt.
Ich fand immer, die Mode sollte endlich als gleichwertig mit anderen Sprachen anerkannt werden, nicht nur als Kommerz und ästhetisch minderwertig. Deshalb habe ich 1996 gemeinsam mit Ingrid Sischy, damals Chefredakteurin von „Interview“ aus New York, in Florenz die Schau „Looking at Fashion“ realisiert, die einen historischen und wissenschaftlichen Blick auf Modedesigner und Stilisten geworfen hat. Wir haben damals die 50 wichtigsten Modedesigner der Welt wie bei einer großen Biennale gemeinsam präsentiert. Außerdem haben wir Begegnungen von Kunst und Mode angeregt: Karl Lagerfeld traf auf Tony Cragg, Miuccia Prada auf Damien Hirst und Mario Merz auf Jil Sander.

Und für Armani haben Sie das Guggenheim Museum freigeräumt.
Auch die Schau zu Armani am Guggenheim Museum New York habe ich kuratiert, weil ich glaube, dass die Mode als starker Beitrag zur Definition der kulturellen Identität ihren Platz bekommen muss. Im Zeitalter der maximalen Kommunikation hat die „zweite Haut“, wie sie Comme des Garçons oder Martin Margiela, Miuccia Prada oder Stefano Pilato und Marc Jacobs entworfen haben, eine entscheidende Bedeutung: Sie gibt der Transformation des Individuums, sei es auf sexueller oder emotionaler Ebene, eine Form. Das Individuum identifiziert sich heute mit den Produkten, ohne sich gleich davon überfahren zu lassen.

Mode ist mehr als Oberfläche?
Mode ist nicht nur Spektakel, sondern ein Instrument der Vielfältigkeit. Trendy zu sein bedeutet, die Definition neuer Seinsweisen und neuer Selbstpräsentationen vorwegzunehmen, der Wiederholung des Immergleichen zu entkommen, um einen Bruch in die Imagination der Menschen einzufügen. Mode ist also nicht viel anders als jeder andere Prozess der Avantgarde.

Welche historischen Beispiele für die gelungene gegenseitige Befruchtung von Kunst und Mode gibt es?
Sie sind sehr selten, weil die Ziele andere sind. Man könnte die italienischen Futuristen und die russischen Konstruktivisten nennen, die bei ihren Versuchen, die gesamte Gesellschaft zu transformieren, auch Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände entworfen haben.
Letztlich sind sie aber gescheitert: Die Ideen von Giacomo Balla, Ljubow Popowa oder Sonia Delaunay blieben auf dem Niveau von Prototypen stehen oder wurden maximal als Theaterkostüme benutzt. Die einzige wirkliche Osmose zwischen Kunst und Mode war wahrscheinlich die zwischen Elsa Schiaparelli und Salvador Dalí. Sonst hat dieser Dialog meist nur dazu geführt, dass Kunst zur Dekoration der Oberfläche der Kleidung benutzt wurde, mehr nicht.

Kann Mode also keine Kunst sein?
Ein echter Versuch von Kleidung als Skulptur stammt von Roberto Capucci, aber der blieb der Haute Couture verhaftet, während die eigentliche Wirkung der Mode heute an die massenhafte Verbreitung geknüpft ist. Skulpturale Schnitte sind beispielsweise die von Rei Kawakubo (Comme des Garçons) oder von Margiela, die eher an einer Dekonstruktion der Kleidung arbeiten, während Capucci seit Jahrzehnten ganz klassisch konstruiert.

Und kann Mode so radikal sein wie Kunst?
Nein, das glaube ich nicht. Sie muss dem Körper dienen und kann nur schwer Antimode sein, wie der Dadaismus verlangte. Und sie kann mit den großen Dimensionen einiger Skulpturen oder Eingriffe in Landschaften niemals mithalten. Sie ist an ein bestimmtes Format gebunden, das des menschlichen Körpers, und diese Vorgaben erlauben zwar Variationen, aber keine dramatischen Zeichenwechsel. Die Mode stirbt in der Lebendigkeit des Körpers, und sie funktioniert als ein Kommunikationsmittel nur individuell, nicht urban oder territorial.

In den 90er-Jahren war das Zusammengehen von Kunst und Mode trotzdem äußerst verbreitet – ein Trend, der mit diesem Jahrzehnt zu Ende zu gehen scheint. Würde man heute immer noch Armani im Guggenheim zeigen?
Nun, ich habe doch immer versucht, die beiden Sphären getrennt zu halten. Die Ausstellung in Florenz 1996 ließ die beiden Sprachen Kunst und Mode parallel laufen, aber führte zu keiner konkreten Kollaboration, der Produktion einer Kollektion beispielsweise. Und die Ausstellung von Armani im Guggenheim Museum in New York war als Würdigung des Beitrags gemeint, den die Mode zur visuellen Kultur geleistet hat. Es ging mir darum, Armanis Untersuchungen zum Bild auf gleiche Ebene mit denen aus anderen Bereichen zu stellen – aber immer mit dem Ziel, die Sprache der Mode und die Sprache der Kunst nicht zu verwechseln. Denn sie haben nicht viel gemeinsam – außer eben den Ehrgeiz, neue Bilder zu finden.