„Ich wünschte, ich hätte seinen Mut“



Salvador Dalí ist für mich einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Er hat die Zeit, in der er lebte, viel besser verstanden als die meisten Kollegen. Was allgemein als Dalís Schwachpunkt gilt, seine offensive Selbstinszenierung in der Öffentlichkeit, ist in Wirklichkeit seine Stärke. Denn damit hat er vorweggenommen, was die Kunst der 80er, der 90er und des aktuellen Jahrzehnts über weite Strecken bestimmte.

Man muss Dalí als direkten Vorläufer Warhols sehen, um seine Bedeutung zu begreifen. Als Warhol Dalí seine „Piss Paintings“ zeigte, soll dieser nur trocken bemerkt haben, mit diesem Material habe er schon vor Langem gearbeitet. Dalí hat Warhol tatsächlich in vielen Bereichen vorweggenommen. Man denke nur an seine Beschäftigung mit Werbeästhetik, Mode und Kino. Was die Techniken des self-branding angeht, der Kunst, aus sich selbst eine Marke zu machen, lernte Warhol definitiv von Dalí. Und auch thematisch faszinierte Warhol der Surrealismus in seiner intensiven Beschäftigung mit Sexualität. Das Spätwerk Warhols, das genau wie das Dalís lange der Kommerzialität bezichtigt wurde, wird seit einer Weile von Kritikern und Kunsthistorikern rehabilitiert. Ich finde, es ist Zeit, das Gleiche mit Dalí zu tun. Deshalb habe ich mich auch so gefreut, als das Moderna Museet in Stockholm mich bat, an einer Ausstellung mitzuarbeiten, die auch den späten Dalí beleuchtet.

Ich habe die Schau in zwei Räume aufgeteilt. Einer sieht aus wie in einem seriösen Museum. Dann geht man durch eine Tür und kommt in eine andere Welt, mit einer barock gepolsterten Wand in Gold und rotem Samt: das perfekte Bild für die schizophrenen Reaktionen, die Dalí auslöst. Eines seiner zentralen Themen war das Verhältnis zur Macht. Politische Macht, die Macht des Kinos, die Macht der Mode, die Macht der Werbung. Ich glaube überhaupt, es ist das Hauptthema der Kunst: die Macht, egal ob sie uns anzieht oder abstößt.

Besonders deutlich wird das in einem meiner Lieblingsbilder Dalís, dem Porträt des Schauspielers Laurence Olivier in der Rolle Richards III von 1955. Als Hommage darauf arbeitete ich mit Caroline von Monaco: einer Figur, in der königliche Macht mit Hollywood-Adel zusammenfällt, denn sie ist die Tochter von Grace Kelly. Mein Doppelporträt (Bild oben) zeigt sie als Königin Christine von Schweden, eine historische Figur aus dem 17. Jahrhundert, und als Greta Garbo in der Rolle der Königin Christine im gleichnamigen Filmmelodram von 1933. Ich habe es „Die Prinzessin von Hannover als Ihre königliche Majestät vor und nach Salvador Dalí“ genannt.

Wie ähnlich unsere Themen sind, ist offensichtlich. Dalí hat mit seiner eigenen Person die Frage nach der öffentlichen Rolle des Künstlers in unserer Gesellschaft gestellt – ich versuche das auch. Viele sagen, Dalí war zu affirmativ in seiner Umarmung des Kapitalismus. Ich finde nicht. Ich versuche immer, so gnadenlos affirmativ zu sein wie er, und schaffe es nicht. Ich wünschte, ich hätte seinen Mut.

„Dalí Dalí featuring Francesco Vezzoli“, Moderna
Museet, Stockholm, bis 17. Januar 2010